Paolo Bianchi
Identität & Alterität
Formen des Körpers 1895-1995
Palazzo Grassi, Museo Correr und Padiglione Italia, 10.6. – 31.10.1995
Die Zukunft des Körpers – Wie sieht sie aus? Die Verkoppelung von Mensch und Maschine im virtuellen Zeitalter, die Experimente mit künstlichen Befruchtungen, Transplantationen und Genmanipulationen – verkommt der Mensch zum Bastelset für High-&-Gen-Tech-Fanatiker? Verschwindet das Subjekt, um als Objekt für wissenschaftliche Labormasturbationen dahinzusiechen? Befindet sich der Körper in einem Zerfallsprozess, oder sind wir Zeugen eines Epochenwechsels der Körperlichkeit? Heisst der neue Paradigmawechsel “Post-Human”, eingeläutet 1992 durch die gleichnamige Ausstellung? Körperbeschwörungen feiern im Kunstbetrieb Urstände, als ob der Körper am Verschwinden wäre und seine Anbetung ihn vor der Immaterialität retten könnte.
Jean Clair auf Spurensuche
Der moderne Mensch sei, wie täglich aus den Printmedien zu erfahren ist, herausgerissen aus verbindlichen Normen, befreit von Zwängen, aber haltlos im freien Fall. Identitätstheorien feiern heute Hochkonjunktur – gerade rechtzeitig, befindet sich doch die menschliche Identifikation mit der Welt und der Zeit in einer Krise.
Was bedeutet eigentlich Identität? Die Jubiläums-ausstellung “Identität und Alterität” zum 100. Geburtstag der Biennale von Venedig durchleuchtet mit Röntgenaugen ein strapaziertes Schlagwort und präsentiert hundert Jahre Geschichte des Menschenbildes in der Kunst: eine große Auslegeordnung des Selbst, wie sie nie zuvor so reich und intensiv präsentiert wurde. So etwas wie eine enzyklopädische Gesamtschau der Körperdarstellung. Ein Projekt, das nie vollkommen sein kann und unweigerlich die Grenze des Menschenmöglichen erreicht. Absenzen und Verkürzungen sind programmiert, so auch – als Reaktion darauf – der kalte Wind der Kritik.
Ausstellungen können reden. Manche plustern sich auf, werfen mit Banalitäten…