Rainer Unruh
Identität
»12 Künstlerinnen und Künstler aus Dresden und Hamburg«
Pentacon-Gebäude, Dresden, 9.7. – 8.8.1993
Speicherstadt, Hamburg, 26.8. – 26.9.1993
Wieviel Kunst ist zumutbar, was erträgt der Mensch, was der Raum? Das Schild im ersten Stock des Lagerhauses gibt eine klare Auskunft: “Belastungsgrenze per qm 1800 kg”. Zwölf Künstlerinnen und Künstler aus Dresden und Hamburg zeigten in dem neogotischen Backsteinbau, in unmittelbarer Nachbarschaft von Schiffsausrüstern und Importfirmen, vier Wochen lang Arbeiten zum Thema “Identität”. Ein ungewöhnlicher Ort, der sich nicht zuletzt deshalb als eine gute Wahl entpuppte, weil jeder Besucher auf dem Weg zur Schau eine ihrer zentralen Fragen, nämlich die nach Selbstlokalisation und Zugehörigkeit, am eigenen Leibe erfuhr. Denn die Brücke, die das Zentrum Hamburgs mit der zum Hafen gehörenden Speicherstadt und den dort ausgestellten Werken verbindet, führt ins “Ausland”: Zwischen der City und dem Handelsplatz kontrolliert der Zoll.
Die Künstler sind da weiter. Sie ignorieren die Grenzen, und dort, wo ihnen die ehemalige Demarkationslinie zwischen den beiden deutschen Staaten in den Blick gerät, wie bei Lili Fischer, löst sie sich sogleich auf: in schwerelos anmutende Skizzen, Wellen, Schlingen, Kurven, geschmeidige Striche, Tintenspuren, manchmal zu Vogelformen verdichtet, dann wieder locker kreisend sich im Ungefähr verlierend. Auch Fischers Schwarzweißfotos von der Elbe bei Bleckede vermeiden den Anschein einer privilegierten Perspektive. Der Blick richtet sich auf sinnlich erfaßbare Übergänge, etwa von Strand und Wasser, nicht auf imaginäre Koordinaten im ideologischen Raum. Die Dinge sind im Fluß, in beiden Elbstädten, und keiner weiß, wohin die Reise geht.
Auch nicht die Personen, denen der in Dresden lebende…