Winfred Gaul:
Ich war schon vor 30 Jahren postmodern
Ein Gespräch mit Heinz Thiel
Im Juli dieses Jahres wurde Winfred Gaul sechzig Jahre alt. Er gehört zur ersten Malergeneration nach Faschismus und Weltkrieg. Im letzten Kriegsjahr (als 16jähriger) ist Winfred Gaul noch als Soldat an der Ostfront gewesen, fünf Jahre später beginnt er ein Kunststudium bei Baumeister und Henninger in Stuttgart. Auf der Documenta II werden informelle Bilder von ihm ausgestellt, auf der Documenta VI ist er mit ‘Farbmarkierungen’ vertreten. Ende vergangenen Jahres publizierte W. Gaul ein Band mit Erinnerungen, Aufsätzen und Kommentaren zur Kunst nach 1945. Weil die renommierten Verlage kein Interesse an dieser zeitgeschichtlichen Sammlung zeigten, erschien der 260 Seiten starke Band in der Provinz, bei Quensen in Lamspringe.
Winfred Gaul, Sie gehörten zur ersten Studentengeneration nach dem Krieg und gingen zu einem Lehrer, der als ‘Abstrakter’ schon bei Beginn der 50er Jahre im kommenden Zeitstil malte. Gab es für Sie während der Studienzeit ein langsames Hineinwachsen in eine Sprache, wie sie unter anderem auch Baumeister verwandte?
Ich war wie ein unschuldiges neugeborenes Kind und wuchs ‘natürlich’ in diese gegenstandslose Welt. Ich hatte ja nie gegenständlich gearbeitet, mußte mich also nicht langsam davon lösen, wie ältere Kollegen, die einen weiten Weg gingen vom akademischen Zeichnen über Abstraktion bis zur Gegenstandslosigkeit. Da ich überhaupt keine künstlerische Vorbildung hatte, nicht einmal Zeichenunterricht während der Schulzeit, hatte ich auch keine Vorbilder. Die Frage, darf ich denn abstrakt malen oder nicht, stellte sich mir nicht.
Man wollte etwas anders machen, als es bisher gewesen war. Und da…