Christian Boltanski
geb. 1944, lebt in Paris
Ich versuchte zuerst all dies wieder zu finden was sich im Zeitraum zwischen meiner Geburt bis zum sechsten Lebensjahr abspielte. Die Dinge, die ich wieder finden konnte waren spärlich und oft unbedeutend: ein Lesebuch, ein Stück Pullover, eine Haarlocke (Mai 1969). Ich versuchte anschließend (Januar 1969) Momente meines Lebens zu erhalten, indem ich sie in Metallbüchsen legte, mit der Absicht, wenn man sie öffnete, im Innern unverändert den einen oder anderen Tag meiner Existenz zu finden. Ich bemerkte rasch, daß zu viel Dinge in jeden der Momente unseres Lebens einwirkten und daß, was in meinen Büchsen übrig blieb nur ein unbedeutender Teil war.
Nachdem ich die geringe Zahl an Dokumenten die meine Kindheit betreffen festgestellt hatte, wollte ich (November 1970) die fehlenden Teile von der Erinnerung her rekonstruieren, indem ich vor dem Apparat die Momente und Gesten, die mich gekennzeichnet haben und die damals als ich sie ausführte weder bewußt registriert noch erhalten wurden, durchspielte: Ich schleuderte erneut das Kopfkissen, wie ich es am 15. Oktober 1949 tat; ich rutschte erneut auf dem Treppengeländer wie am 6. Juli 1951. Parallel hierzu rekonstruierte ich in Kitt alle Objekte, die mich während dieser Zeit (1948-1954) umgaben. Trotz der Sorge um Authentizität in der photographischen Wiedergabe der Handlung und der sorgfältigen Arbeit im Modellieren (gewisse Objekte wurden mehr als zwanzigmal begonnen), gelang es mir nicht die Realität meiner Vergangenheit darzustellen. Im Juli 1971 bat ich einen meiner Freunde, Michael D., mir das Photoalbum, welches seine Eltern besaßen, anzuvertrauen. Ich…