Howard Rheingold
»Virtuelle Gemeinschaft«
Der kalifornische Journalist Howard Rheingold definiert die via Computer, Modem und Datenleitung geknüpften virtuellen Gemeinschaften als “soziale Zusammenschlüsse, die dann im Netz entstehen, wenn genug Leute diese öffentlichen Diskussionen lange genug führen und dabei ihre Gefühle einbringen, so daß im Cyberspace ein Geflecht persönlicher Beziehungen entsteht”. Das in einem auf Computeranwendungen spezialisierten Verlag erschienene Buch enthält neben einem historischen Abriß über die Entwicklung der Datenkommunikation auch zahlreiche Ausführungen über die sozialen Folgen der Computer-vermittelten Kommunikation (CMC). Rheingold, der bald zehn Jahre Erfahrung mit rechnergestützten Netzwerken hat, nimmt dabei die Perspektive eines Nutzers an: “Meine virtuellen Gemeinschaften ergreifen von mir Besitz. Ich werde kolonialisiert; mein Begriff von Familie wurde auf grundlegende Weise virtualisiert. (…) Meine Frau war erst besorgt, dann eifersüchtig, schließlich zornig.”
Die hier beschriebene Krise der Kleinfamilie korrespondiert mit den Quellen der elektronischen Sozietät, welche sich aus schon bestehenden Subkulturen fort-entwickelten. So beschreibt Rheingold das von ihm bevorzugte WELL-Netz als Folge der Hippiebewegung, welches von Kommu-narden der “Farm” gegründet und anfänglich auch betrieben wurde. Eine Gemeinschaft mußte sich nicht erst finden, sondern führte ihre Gespräche – nunmehr auch über weite Entfernungen und zeitversetzt – fort.
Welchen Einfluß nehmen E-Mail und rechnergestützte Konferenzsysteme, Bulletin-Boards oder Minitel auf das soziale Leben? Für Rheingold schließt die technologisch vermittelte Virtualität der Gemeinschaft keineswegs reale Folgen aus: “Worte auf dem Bildschirm sind in der Lage, andere Menschen zu verletzen. Obgleich ein Online-Gespräch sich genauso flüchtig und informell anfühlen mag wie ein Telefongespräch, hat es die Reichweite und Beständigkeit einer Publikation.” Antisoziales Verhalten, Sexismus und…