Rudolf Frieling
HOT SPOTS – Texte in Bewegung und die elektronischen Medien
In Zeiten virtueller Realitäten führt Frank Fietzeks Installation “Die Tafel” (1993) eine neue Form handgreiflichen Lesens vor, indem er einen Monitor auf Schienen als bewegliches Fenster vor eine alte Schultafel montiert. Mit ihm sucht der Leser die Tafel nach einem unsichtbaren Text ab. Doch das Verorten der Schrift auf der Tafel mißlingt: Textstellen sind nicht mehr geographisch, sondern nur noch zufällig zu finden, Wörter wie “Lesen” oder “Schreiben” nur noch erinnerte Textspuren ohne Zusammenhang. Welchen Text aber lesen wir, wenn nichts mehr “schwarz auf weiß” fixiert ist?
Nach Kubismus, Dadaismus, Surrealismus, Futurismus, Fluxus, Pop-art und Konzeptkunst wurde die Integration von Text und Schrift in der bildenden Kunst zur Domäne der Konzeptkunst. Zeitgenossen wie Joseph Kosuth, Nancy Dwyer oder Lothar Baumgarten beispielsweise setzen ein bestimmtes Schriftbild in bezug zu einem Raum und untersuchen – anhand der Sprache – gesellschaftliche Prozesse, die über die Sprache vermittelt werden. Gemalte, geformte, leuchtende oder projizierte Kunstwerke mit Text – konkret und doch abstrakt – werden erst im Nachdenken begreifbarer, ein Feld auch für Künstler wie Barbara Kruger oder Les Levine, die kommerzielle Sprachstrategien für ihre kritischen Aussagen subversiv nutzen. Aber welche Reichweite haben diese Diskurse heute noch, wo die Kombination von Text und Bild durch ihre Beliebigkeit kaum noch kritisch wirken kann? Gegenwärtig erleben wir eine multimediale Umwälzung unserer Lesegewohnheiten. Das Festhalten am alten Dualismus von Bild und Text wird angesichts der Arbeiten von Jenny Holzer, Jeffrey Shaw oder Bill Seaman immer fragwürdiger. Panta rhei…