Maribel Königer
Hors limites
»L’art et la vie 1952-1994«
Centre Pompidou, Paris, 9.11.1994 – 23.1.1995
Hors limites”, ins Englische relativ leicht mit “off limits” zu übersetzen, kann im Deutschen allerlei Verschiedenes meinen. Für eine Ausstellung, die sich vorgenommen hat, einen wichtigen Ausschnitt der Avantgardekunst der letzten vierzig Jahre aufzurollen, bietet sich am passendsten “Grenzüberschreitung” an, romantischere Naturen mögen auch “Entgrenzung” vorziehen. Am profansten ist “uferlos”. Leider trifft es den ersten Eindruck der von Jean de Loisy, dem Direktor der Abteilung für Zeitgenössische Kunst im Centre Pompidou, konzipierten Veranstaltung am besten. Die selbstgestellte Aufgabe war allerdings ein Titanenwerk, an dem womöglich auch andere gescheitert wären. Nicht mehr und nicht weniger als die Entwicklung all jener Phänome sollte durch vier Dekaden verfolgt werden, die seit Anfang der fünfziger Jahre die Demontage der traditionellen Kunstgattungen vollzogen bzw. diese ersetzten, in denen Musik, Literatur, Theater, Neue Medien und vor allem Lebenswelt Einzug hielten. Was für ein weites Feld! Darunter fällt, grob geschätzt, die Hälfte der westlichen Kunstproduktion aus der angepeilten Periode. Da soviel Material auf 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche nicht annähernd so ausgebreitet werden kann, daß ein differenzierter Überblick entstehen könnte, rettet sich der Kurator gleich zu Beginn in ein anarchisches Chaos, dem – so wird damit automatisch unterstellt – die Nachkriegskunst viel von ihrem kreativen Antrieb verdankt. Mit möglichst vielen Exponaten auf engstem Raum, ob in Vitrinen oder im Großen, wird Teil I von “Hors limites” bestritten. Fluxus und Wiener Aktionismus, Gutai und Nouveaux Réalistes, Ton- und Videoinstallationen, Pop Art und Arte Povera, Happening und Performance…