Aussenseiter, Artbrutisten, Autodidakten und Amateure, Volkskünstler, Visionäre, Vergessene und Verrückte: 25 Porträts
Horace Pippin
* 1888, WEST CHESTER, PENNSYLVANIA, + 1946, WEST CHESTER, PENNSYLVANIA
Die Technik des Malens ist flach, kolorierte Architektur, nicht Konstruktion. Sie basiert auf der Beziehung zwischen Farben und den sie enthaltenden Formen. Juan Gris
Das Zimmer, in dem Horace Pippin fast all seine Bilder malte, befand sich im Erdgeschoß eines zweistöckigen Holzhauses an der West Gay Street in West Chester, Pennsylvania. An den schmutzig-gelben Wänden hingen Kalender mit religiösen Motiven, verblichene Fotografien von dem Künstler in Uniform, die Heiratsurkunde von Jennie Ora Featherstone Wades zweiter, am 4. April 1915 mit John Giles geschlossenen Ehe und die Entlassungsurkunde des einfachen Soldaten Horace Pippin, Co. K., aus dem 369. Infanterieregiment der amerikanischen Expeditionsstreitkräfte, mit der Faksimile-“Unterschrift” von Woodrow Wilson und der Legende: “COLUMBIA GIVES TO HER SON THE ACCOLADE OF THE NEW CHIVALRY OF HUMANITY.”
Kein Sonnenlicht drang in den ohnehin recht düsteren Raum. Einzig eine klare 200-Watt-Birne hing von der Zimmerdecke über Pippins Staffelei. Pippin arbeitete zumeist nachts, oft siebzehn Stunden hintereinander; dabei stützte er seinen versehrten rechten Arm mit der linken Hand, um seine Bewegungen unter Kontrolle zu halten und sich mit feinen Pinselstrichen “von einer Seite der Leinwand zur anderen vorzuarbeiten”, bis das richtige Verhältnis von Farbe und Fläche erreicht war. Wenn ein Gegenstand oder eine Farbe nicht ins Bild “paßte”, so Pippin im Gespräch mit Rosamund Frost, dann übermalte er sie, bis eine dicke Impasto-Schicht entstand. “Die Bilder kommen mir einfach so in den Sinn”, erzählte er bei anderer…