Amine Haase
Historienmalerei in Zeiten der Post-Histoire
Zum Beispiel Luc Tuymans und Gerhard Richter
Kann man die Erinnerungsarbeit von Malern heute – Gerhard Richters RAF-Zyklus „18. Oktober 1977“ oder Luc Tuymans Bilder zum Kongo „Mwana Kitoko: beautiful white man“ – als moderne Historienmalerei bezeichnen? Die Diskussion über das traditionsreiche Genre ist immer wieder im Umfeld zu Goyas „Erschießung der Aufständischen“ (El tres de mayo, 1814) oder seine „Desastres della guerra“ (1810-1814), zu Manets „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ (1868) oder Picassos „Guernica“ (1937) aufgelebt. Die Kriegsbilder der beiden Spanier kennen keine Sieger, keine Helden wie die klassische Historienmalerei. Historienmalerei – darüber hat sich der Staub des 19. Jahrhunderts gelegt, auf jeden Fall in Deutschland, wo Historie meistens mit Patriotismus gleichgesetzt wurde. Politik oder Kunst lautet dann zumeist die Frage. Und doch möchte man den Begriff noch einmal neu beleuchten, auch und gerade nach dem mit der Vokabel Posthistoire proklamierten Ende der Geschichte. So wie Philosophen und Soziologen im zwanzigsten/einundzwanzigsten Jahrhundert nach neuen Weltbildern suchen, ebenso definiert die Kunst ihre Gegenwart und Zukunft neu.
Richter und Tuymans sind da nur zwei Protagonisten unter vielen – man denke beispielsweise an Hanne Darbovens „Bismarckzeit“ (1978), an Christian Boltanskis Gedenk-Installationen oder die kontinuierlich seit 1966 entstandenen „Date paintings“ von On Kawara. Aber ihre an den das Weltgeschehen dokumentierenden Medien orientierte Malerei erscheint als besonders geeignet, zur Klärung beizutragen. Viele ihrer Bilder stehen an der Schnittstelle von Posthistoire und Postmoderne. Dabei Richters „18. Oktober 1977“durchaus der Kategorie „Historienmalerei“ zuzuordnen, ebenso seine 48 Porträts, die wie…