Anne Krauter
Herbert Egl
Lebenszeichen
Galerie Tilly Haderek, Stuttgart, 9.2.-22.3.1986
Mit ihren überwiegend weißen Flächen evozieren die neuen Bilder von Herbert Egl einen hieratischen Eindruck, darin symbolträchtigen Muralien vergleichbar, wobei der pastose Farbauftrag mit Pinsel, Spachtel und Fingern wesentlich zur Bildstruktur beiträgt. Die inhaltliche Dimension wiederum entsteht während einem als Negativ-Verfahren zu bezeichnenden Prozeß aus dem Malakt, indem sich die weiße Farbpaste an die Formgebung der bilddominierenden »Lebenszeichen« heranschiebt und diese als Überreste der darunterliegenden, meist dunkleren Fläche stehen bleiben. Gestaltwerden heißt somit Zeichenfindung in einem Kristallisationsvorgang; der Bedeutungsträger wird aus der amorphen Masse herausgefiltert und zum Bild verfestigt. Mit Fotografien verfährt Herbert Egl auf adäquate Weise: Aus dem ungeordneten Zustand banaler Landschaftsaufnahmen läßt er nur das als notwendig Erachtete stehen, die übrigen Partien werden durch Abreibung der aufgeweichten Filmschicht entfernt. Obgleich die Naturdarstellung, Bäume oder Gewässer, in Teilen erhalten bleibt, kommt eine Vielschichtigkeit der Assoziationen hinzu, wie sie nur durch die Disziplin der Reduktion zu erreichen ist. Sogenannte »Kommunikationsbilder« gehen diesen Arbeiten voraus. Es sind wuchtig gemalte Querformate, in denen zwei Pole über naß in naß changierenden Farbzonen oder mittels drahtartiger Lineamente miteinander in Verbindung treten. Ihrem Dialog erwachsen fragile Gebilde, denen die ersten Leinwände der »Lebenszeichen« noch sehr verwandt erscheinen. Doch faßt Egl hier die organisch durchwobenen Strukturen mit geometrischen Setzungen zusammen; eine Raute oder ein quergestrichenes Linienband bilden markante Zentren im kompositionellen Aufbau. In der weiteren Folge werden diese Formelemente zusehends autonomer, verschmelzen miteinander, oder vervollständigen sich gegenseitig als Spuren bewußter Zeichensetzung in der Farbmaterie. Im feuchten Zustand noch cremig…