Aussenseiter, Artbrutisten, Autodidakten und Amateure, Volkskünstler, Visionäre, Vergessene und Verrückte: 25 Porträts
Henry Darger
* 1892 IN BRASILIEN, + 1973, CHICAGO, ILLINOIS
1973 starb in einem Chicagoer Pflegeheim ein einsamer, armseliger alter Mann namens Henry Darger. Über vierzig Jahre lang hatte er in einem kleinen Zimmer im Norden Chicagos gehaust und sich seinen dürftigen Lebensunterhalt damit verdient, daß er in katholischen Krankenhäusern putzen ging.
Als Darger sechs Monate vor seinem Tod ins Pflegeheim kam, öffnete sein ehemaliger Vermieter Nathan Lerner, ein Designer und Fotograf, die Tür zu seinem Zimmer und stolperte über die Schwelle mitten hinein in die verborgene Phantasiewelt des Henry Darger. Und welch eine Phantasie war das! Unter seinen Hinterlassenschaften befand sich auch ein umfangreiches Manuskript von insgesamt über 19 000 engbeschriebenen Schreibmaschinenseiten, das in zwölf riesigen Bänden zusammengefaßt war. Dieses epische Werk trug den Titel “The Story of the Vivian Girls in what is Known as the Realms of the Unreal or the Glandeco-Angelinian War Story, Caused by The Child Slave Rebellion”. Er hatte das Buch mit über zweihundert Aquarellen illustriert, wobei er jeweils Vorder- und Rückseite der Papierbögen bemalte und diese oft zu bis zu zehn Fuß langen Rollen aneinanderklebte. Auch hinterließ er zahlreiche Tage- und Notizbücher, die mit Aufzeichnungen und Erörterungen über das Wetter vollgeschrieben waren und eine genaue Auflistung der in seinem Epos vorkommenden Schlachten mit den daran beteiligten Armeen und ihren Fahnen sowie Anzahl und Namen der Gefallenen und Verwundeten enthielten. An diesem monumentalen Werk hatte der exzentrische Einzelgänger über fünfzig Jahre lang wie besessen gearbeitet. Außerdem…