Johannes Meinhardt
Helmut Brosch & Thomas Rentmeister: Enkel
Kunstverein Heilbronn, 17.5. – 28.6.1998
Die Unterscheidung zwischen figürlicher und abstrakter (bzw. konkreter) Skulptur funktioniert in dem Moment nicht mehr, in dem die Skulptur für den Betrachter psychische Aufladungen transportiert, auf ihn psychosemantisch wirkt. Die Voraussetzung dafür ist das Faktum, daß Figuration und Abstraktion nicht auf derselben wahrnehmungslogischen Ebene liegen, keine alternativen Einstellungen bilden: die figurative Deutung legt sich über die formale Erfassung des Gegenstandes, so daß bei jeder Skulptur der Schritt von einer figürlichen Deutung zur wahrnehmenden Analyse der ästhetisch-formalen räumlichen Beziehungen zurück möglich ist, aber auch umgekehrt jede abstrakte Skulptur mit figurativen Deutungen aufgeladen werden kann. Im Fall psychischer Aufladungen, die sich nicht mehr an eine figurative Deutung anklammern, sondern durch unterschiedlichste Qualitäten der Formen, der Oberflächen, der Assoziationen motiviert sein können, schiebt sich zwischen die beiden Ebenen der formal-abstrakten Wahrnehmung und der figürlich-semantischen Identifikation ein undeutliches, unscharfes Zwischenfeld, in dem formale Aspekte, materielle Aspekte, Formanmutungen, Oberflächenqualitäten und selbst Farbgebungen psychisch oder affektiv gewichtig und bedeutungsvoll werden, ohne daß sie eine klare gegenständliche Identifikation erlauben. Dieses unscharfe Feld der psychischen Bedeutung ist ein Teilbereich des – vor allem historisch sehr weiten Feldes des – Phantastischen.
Die gemeinsame Ausstellung von Helmut Brosch, geboren 1958, und Thomas Rentmeister, geboren 1964, verknüpft fast nahtlos zwei sehr unterschiedliche Typen des Phantastischen: eine Skulptur von Rentmeister aus massivem Aluminium, die auf etwas wie vier Beinen steht und einen deutlichen Rumpf besitzt – die aber nicht an ein bestimmtes Lebewesen erinnert, sondern vor allem einen starken psychischen oder affektiven…