Matthias Reichelt
Helen Levitt
»Der entscheidende Bruchteil einer Sekunde. Helen Levitt, die Virtuosin der Straßenfotografie«
Sprengel Museum, 10.2. – 25.5.2008
Eine Zufallsszene für den Bruchteil einer Sekunde lang, aber für die Ewigkeit festgehalten. Zwei circa vierjährige Kinder auf einer Straße, ein weißes Mädchen und ein schwarzer Junge, tief konzentriert im Spiel versenkt. Das Mädchen hat die Arme gespreizt und hochgestreckt, einen Fuß hinter dem anderen verschränkt und die Augen geschlossen. Ihr gegenüber der Junge, die rechte Hand auf dem Kopf ruhend, den anderen Arm vom Körper abgewinkelt, ein Fuß leicht angehoben, als ob er jeden Moment eine Pirouette drehen würde. Wüsste man es nicht anders, könnte man glauben, es handele sich um eine ausgeklügelt choreografierte und inszenierte Situation. Um solche Augenblicke in einem fotografischen Bild einfrieren zu können, gehören eine unauffällige Präsenz, ein Gespür für Situationen und eine schnelle Auffassungsgabe. Helen Levitt hat dieses Talent in ihrem überaus reichen Lebenswerk immer wieder unter Beweis gestellt und ist für ihr Vermögen, sowohl poetische als auch skurrile Momente des Alltags auf den Straßen einzufangen, berühmt geworden. Ihr Interesse galt besonders den Kindern und dem eher armen Bevölkerungsteil, dessen Leben sich auf den Straßen New Yorks abspielt. Interessanterweise wurden ihre Bilder oft in den Kontext sozialdokumentarischer Fotografie gestellt und so rezipiert, auch wenn sie nicht müde wurde zu betonen, dass sie keine Soziologin sei.
Die faszinierenden Szenen hat sie fast ausschließlich in Harlem, der Bronx und der Lower East Side New Yorks in den späten 30er und 40er Jahren in Schwarz-Weiß und dann wieder in den…