Hermann Pfütze
Helen Frankenthaler
»Mountains and Sea« und die Jahre danach 1956-1959
Deutsche Guggenheim Berlin, 15.10.1998 – 31.1.1999
Die Guggenheim-Filiale in Berlin präsentiert ihre durchaus unterschiedlichen Ausstellungen – Robert Delaunay, James Rosenquist, Meisterwerke der Zeichnung von Dürer bis Rauschenberg, Katharina Sieverding und nun Helen Frankenthaler – stets gleichermaßen aufwendig. Alles gilt als einzigartig, herausragend, hochkarätig und ist wahrscheinlich nie wieder in dieser Auswahl zu sehen. Letzteres stimmt, aber das zeichnet alle gut komponierten Ausstellungen aus, während die Beliebigkeit der Super-Attribute deren Aussagekraft schwächt und die Gewichte verschiebt von der Kunst zum Ausstellungsort. Die Botschaft ist: Guggenheim ist super, egal was gezeigt wird.
Zu sehen ist eine Auswahl jener “stained canvasses”, also nicht bemalten, sondern farbengetränkten, großen Leinwände, mit denen Helen Frankenthaler in den fünfziger Jahren rasch berühmt und von der Kunstkritik, namentlich von Clement Greenberg, flugs eingereiht wurde in die amerikanische Avantgarde zwischen Jackson Pollock und Kenneth Noland, zwischen Abstrakten Expressionismus und Pop Art. Mehr noch: Greenberg kürte das 1952 entstandene Bild Mountains and Sea der damals dreiundzwanzigjährigen Absolventin des Bennington College zum ersten exemplarischen Werk der sog. “post-painterly abstraction”. Seither gilt in Kunstgeschichten und Katalogen das Bild als “legendär” und Helen Frankenthalers Frühwerk als epochemachend.
Aber welche Legende erzählt es, welche Epoche tritt hervor? Sofort zu sehen ist die in der Tat damals ungewöhnliche, nicht-malerische Technik der Einfärbung, die die Bilder auch für den unkünstlerischen Blick unterscheidet von ähnlich ungegenständlicher Farbmalerei, etwa Pollocks, de Koonings oder Gorkys, den Zeitgenossen Frankenthalers. Die Farben haben blasse Feuchtigkeits- und Fleckenränder gebildet, die ein wenig wie seichte…