MICHAEL HÜBL
Heimarbeiten
Thomas Raschke hat Stephan Hasslinger eingeladen
E-Werk | Hallen für Kunst, 17.9. – 17.10.2004
Lässt sich das Ephemere zurückverwandeln in robuste Materie? Zu den Arbeiten, in denen Marcel Duchamp seiner Auffassung von der situativen und kontextuellen Abhängigkeit der Kunst nahezu poetischen Ausdruck verlieh, gehört die “Staubzucht” (Élevage de poussière). Noch das Schwarzweißfoto, das dieses flüchtige Environment darstellt, lässt ahnen, wie viel Zeit vergehen musste, bis sich die mikrometerfeinen Schwebeteilchen der New Yorker Nachkriegsluft an den Drahtgraten des unvollendeten “Großen Glases” (La Mariée mise à nu par ses Célibitaires, même [Le Grand Verre]) angelagert hatten. Man Ray hat das eingestaubte, flusenverwehte Glas 1920 in Duchamps Atelier fotografiert; als dann die Aufnahme zwei Jahre später in André Bretons Zeitschrift “Littérature” erschien, war sie mit einem kryptischen Untertitel versehen: “Hier ist die Domäne von Rrose Sélavy. Wie dürr sie ist – wie fruchtbar sie ist – wie traurig sie ist! Blick aus dem Flugzeug, aufgenommen von Man Ray – 1921”. Vom Staub jener Tage ist nichts geblieben, das Glas ist zerbrochen und existiert in seiner intakten Version nur noch als Rekonstruktion. Aber die Verbindung von Zeichnung und Raum, wie sie die “Staubzucht” sichtbar machte, hat neue, diesmal rundum drahtige Gestalt angenommen. Thomas Raschke, von seiner ersten Ausbildung her Goldschmied und seit 1993 Mitglied der Künstlergruppe “Das deutsche Handwerk”, hat die Welt komplett verdrahtet. Ob Kinderrolller oder Küchenspüle samt Mischbatterie und Abwasserrohr, ob Teddy oder Tisch samt Aschenbecher und Schublade, in der ein Revolver ruht: Raschke schweißt aus dickem Draht die Wirklichkeit noch…