Jürgen Kisters
Hartmut Neumann
Naturkunde
Galerie Der Spiegel, Köln, 11.11.1994 – 31.1.1995
Die “Naturkunde”, jener Oberbegriff für Zoologie, Botanik, Paläontologie, Geologie, Mineralogie und naturwissenschaftlicher Heimatkunde, kennt viele Wege, sich ihrem Gegenstand zu nähern. Man kann sammeln oder zeichnen, Herbarien anlegen oder akribische Beschreibungen anfertigen. Auch die Kunst kann eine Möglichkeit sein, sich dem großen Geheimnis der allumfassenden Natur zu nähern. Hartmut Neumann schreitet bereits seit einigen Jahren auf dieser Fährte. Gemeint ist ein “Studium” der Natur, das diese nicht nur begreifen, sondern ihr zugleich alle Schönheit belassen und eine grundsätzliche Rätselhaftigkeit zugestehen will. Gemeint ist ein Studium in Bildern, das die Natur vorführt als einen farbenprächtigen Raum, bevölkert von allerhand Lebewesen, die von blauen Bergwelten und Akrobatentieren erzählen.
Tiere sind Wesen, welche die menschliche Phantasie seit Jahrtausenden beflügeln, gleichgültig, ob sie gefiedert oder mit einem Panzer versehen sind, ob sie durch die Lüfte fliegen oder über den Boden kriechen. Hügelameisen und Sandkäfer, Stangenspinnen und Blattraupen, Fischschwärme und blaue Tiere kreuschen und fleuschen nicht nur durch Erde, Wasser und Lüfte, sondern auch durch unsere Träume. Und spätestens nach dem Betrachten einiger Bilder Hartmut Neumanns hat man keinerlei Zweifel mehr daran, daß die Natur ebenfalls eine surreale Note besitzt. Das Rätsel der Natur trifft auf das Rätsel der Malerei, und beide gemeinsam erzählen die (gegenständliche) Fabel vom Rätsel des Lebens. Das führt mitten hinein in eine Welt, in der Schönheit und Unheimlichkeit einander untrennbar umschlingen. Da sitzen die einen Vögel still auf einem Ast, während die anderen abstürzen. Da treibt ein satter Strauch seine kräftigen…