Alfons Hug
Harmonisches Biotop
umstürzender Urwaldriesen
Den Niederschlag in den Tropen als Regen zu bezeichnen, hieße einen harmlosen Euphemismus zu bemühen. Während in den gemäßigten Breiten der Regen als Schnürregen, Nieselregen, Landregen oder auch mal als Platzregen fällt und nur selten den normalen Ablauf des Lebens beeinträchtigt, muss in den Tropen bei Regen von sintflutartigen Zuständen gesprochen werden. Es ist, als würden sich alle Schleusen des Himmels gleichzeitig öffnen. Mit einem Schlag kommen ganze Städte zum Erliegen, versinkt nahezu alles in den gurgelnden Fluten. Bäche verwandeln sich in reißende Ströme, Schlammlawinen begraben ganze Stadtteile unter sich.
Wenn im brasilianischen Sommer, der mit Regenzeit weit treffender bezeichnet wäre, die innertropische Konvergenzzone sich aufbaut und die heiße Amazonasluft auf patagonische Kaltfronten trifft, oder wenn der südasiatische Monsun vom Ozean her über Indien fegt, brechen Urgewalten los, die einem Gottesgericht gleichen. Pechschwarze Gewitterwolken entladen sich in fingerdicken Schnüren aus Wasser, die wie Stahldrähte Himmel und Erde zusammenbinden.
Das „grosse Wasser“
Im Dreiländereck von Argentinien, Brasilien und Paraguay scheint in einem eindrucksvollen Naturschauspiel mit ohrenbetäubendem Getöse das ganze Nass der Erde die Wasserfälle des Rio Iguaçu wie in einen alles verschlingenden Urschlund hinabzustürzen. Das „große Wasser“, wie die Gurani-Indios den Fluss nennen, wirkt wie ein riesiger Bestäuber, der die sommerlich aufgeheizte Luft mit Feuchtigkeit benetzt und die Atmosphäre in einen einzigen dampfenden Schwall verwandelt.
Der Fotograf Hans Christian Schink sieht darin ein Sinnbild archetypischer Landschaft, um im Sinne Kants das Naturschöne mit dem Kunstschönem zu versöhnen. Wie am ersten Schöpfungstag erstrahlt in seinen Bildern die Natur im einträchtigen Zusammenspiel von…