JÜRGEN KISTERS
Harald Fuchs
Galerie ’86, Trier, 14.8. – 9.9.1990
Wissenschaft und Kunst sind längst nicht derart weit voneinander entfernte Bereiche, wie gemeinhin angenommen und behauptet wird. Unsere Kultur liebt ihre Definitionen und Abgrenzungen auf eine fatale Weise, so daß es ihr den angemessenen Blick für die Verwandtschaften und Ähnlichkeiten der Dinge und Erfahrungen verstellt. So bleibt zum Beispiel noch immer unbeachtet, daß der Stoff, den die Wissenschaft bearbeitet, vielfach kein anderer ist als das Material, aus dem die Kunst ihre Gestaltungen hervortreibt. Künstler und Wissenschaftler beziehen sich nicht selten auf ein und dieselbe Anschauung, gewinnen aber unterschiedliche Schlüssel und Verarbeitungsweisen daraus.
Wo die Wissenschaft sich stets um objektive Tatsachen und gesicherte Erkenntnisse bemüht, ist es die Sache der Künstler, dem Subjektiven, dem Verrückten, dem Unentschiedenen und dem Diffusen die nötige Geltung zu verschaffen. Die Forschungen der neuen Physik, vor allem seit Heisenbergs Unschärferelation, haben deutlich gemacht, daß die “Wahrheit” von Wissenschaft und Kunst näher zusammenstehen, als das ihre jahrhundertealte Gegnerschaft je vermuten ließ. Das meint die Anerkennung einer grundlegenden Leere, aus der heraus durch Energie erst alles weitere sich bildet, allerdings in einer unvermeidbaren Unbestimmtheit des Anfangszustandes, die jede exakte Vorausberechnung künftiger Bewegung dieses Gebildes unmöglich macht. Der Zustand einer formlosen Schwebe ist der einer unaufhörlichen Bewegung, in der Gestalten ebenso rasch entstehen und sich wieder verflüchtigen können. Dieser Prozeß ist – abstrakt gesehen – von seltsamen Ausformungen und Einstülpungen, vielfachen Brüchen, Verschlingungen, Überlagerungen und Verdichtungen geprägt. Die anschaulichen Ordnungen dieser Prozesse, wie sie etwa in den Modellen der Physik und in…