Heinz Schütz
Haralampi G. Oroschakoff –
Ein Ort der Leidenschaft
Kunstraum München, 2.6. -1. 8.1987
Die Kunst der Moderne verdankt wesentliche Impulse östlicher Spiritualität. Darüber können weder Bezeichnungen wie »Westkunst« hinwegtäuschen, noch die – fast möchte man sagen – kulturimperialistische Rhetorik, wie sie jüngst in Günter Metkens documenta-Kurzführer aufscheint. Im Gegensatz zu derartiger, den Osten negierender Westeuphorie steht HARALAMPI OROSCHAKOFFS Rückbesinnung auf sein kulturelles Erbe – Oroschakoff wurde 1955 in Sofia geboren und emigrierte Mitte der sechziger Jahre. Entscheidend für ihn wird eine Reise zum Berg Athos Anfang der achtziger Jahre: »Erste Wiederbegegnung mit der orthodoxalen Welt nach der Emigration. Beginn des Ikona-Konzeptes.« (Katalogbiographie)
Im »Kunstraum« bringt Oroschakoff mit vier Wandmalereien und einer Fotografie die örtliche Gesamtsituation zur Geltung dadurch, daß er die räumlichen Gegebenheiten nicht nur formal-architektonisch integriert, sondern die Semantik des Ortes reflektiert und interpretiert: »Kunstraum« wird zu »Ein Ort der Leidenschaft«. Sicherlich kann Leidenschaft auch Quelle westlicher Kunst sein. Matisse äußert sich etwa: »Man sagt, daß all meine Kunst vom Geist her kommt. Das ist nicht wahr: Alles was ich geschaffen habe, habe ich aus Leidenschaft geschaffen.« Doch gerade der Gegensatz Geist – Leidenschaft wird aufgehoben in östlicher Kunst, insbesondere in der Transindividualität der Ikonenmalerei. Kein Zufall ist es, daß die Raumflucht in »Ein Ort der Leidenschaft« bestimmt wird durch zwei Bilder – transzendentale Fenster gleichsam – die sich unmittelbar als Reminiszenz an Malewitsch verstehen lassen: ein weißes Kreuz auf weißem Grund auf der einen, ein schwarzes Kreuz auf schwarzem Grund auf der anderen Seite der Raumlängsachse.
An der dem Fenster gegenüberliegenden…