Paolo Bianchi
Hans Krüsi
Retrospektive zum 70. Geburtstag
Museum im Lagerhaus, 10.3. – 19.5.1990
Collection de l’art brut, 10.6. – 23.9.1990
Als Künstler Karriere zu machen, ist heute mehr denn je en vogue. Von “Künstlerkarriere” zu sprechen, birgt nichts mehr Provokatives oder Paradoxes in sich, denn der Widerspruch zwischen dem Begriff der “Karriere” und dem des “Künstlers” ist längst aufgehoben. Findet diese Entwicklung etwa in der Renaissancezeit ihren Ursprung, als die Maler und Bildhauer vom Status des anonymen Handwerkers zu dem eines Halbgottes aufstiegen? Der Künstler hat heute auf jeden Fall gegenüber dem Schimpfwort “Karrierist”, der den negativen Beigeschmack von Mache, Masche, Macht- und Geldgier im Yuppie-Style mit sich führt, eine dickere Haut entwickelt (vgl. KUNSTFORUM Bd. 106, S. 78-85). Andererseits weiß der Kunstmarkt Karrieren mit “künstlichen” Mitteln zu kreieren. Der jungverstorbene Jean-Michel Basquiat ist da eine Schlüsselfigur. “Seine Werke in internationalen Museen der Moderne und in Privatsammlungen zeugen von der Bedeutung, die seinem Kunstschaffen zugemessen wurde, aber auch von einem nach marktstrategischem Kalkül erschaffenen Malerobjekt als Produkt gerissener Galeristen und eines gefräßigen Kunstmarktes” (KUNSTFORUM Bd. 101, S. 96). Außenseiter sind der Ausbeutung, wie es die Häufigkeit der Fälle zeigt, fast zwangsläufig preisgegeben.
Betrachtet man die große Retrospektive zum 70. Geburtstag des Ostschweizer Outside-Künstlers Hans Krüsi, der bei Pflegeeltern und im Waisenhaus aufwuchs, nie einen Beruf erlernte, sich als Knecht und Gärtnergehilfe durchschlug und seit 1948 an der Züricher Bahnhofstraße Blumen verkauft, unter diesem Blickwinkel, so kommen doch einige Widerwärtigkeiten zutage. Hans Krüsi (vgl. KUNSTFORUM Bd. 101, S. 158/59), der Mitte der 70er Jahre zu…