HERMANN PFÜTZE
Hans-Christian Schink
Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 1997- 2001
Galerie Bodo Niemann, Berlin, 29.9. – 22.11.2001
Der erste Eindruck ist: Endlich wird einmal die Schönheit moderner Schnellverkehrsverbindungen gezeigt und nicht nur ihre ökologische Bedenklichkeit. Das liegt aber schon am zweiten Blick, der vom Gemäldecharakter und Großformat dieser Fotos bestimmt wird. Hans-Christian Schinks Aufnahmen gigantischer neuer Talbrücken, elegant geschwungener Autobahn-Rohbauten, pfeilgerader ICE-Trassen, riesiger Erdarbeiten, monumentaler Stützpfeilerkolonnaden, künstlicher Bachbetten, Auffahrtstraßen und langer Tunnelröhren sind nicht nur Bauwerksdokumente, sondern immer auch Bilder der Gegend, meistens im Südwesten der ehemaligen DDR. Auch durch ihre Formate, 121 x 143 cm und 178 x 211 cm, erinnern sie an Landschafts-Gemälde, wie z.B. an “Das große Gehege” von Caspar David Friedrich in der Dres dner Gemäldegalerie Neue Meister (vgl. FAZ vom 21.11.2001), oder an die “Erd-Wandlungen” des Lausitzer Braunkohletagebaus, die jüngst Chris tine Jackob-Marks gemalt hat. (vgl. KUNSTFORUM 157).
Auf den dritten Blick jedoch spürt man den Unterschied: Schinks Fotos sind zentralperspektivisch, während die gemalten Landschaften Panoramabilder sind. Die Zentralperspektive führt den Blick eng auf den Fluchtpunkt hin, während das Panorama den Blick weitet. Im Panorama sind Waldränder, Wasser oder Zäune Rastplätze der Blickwanderung, aber hier, in Schinks Fotos, sind sie buchstäblich Wegweiser. Alles weist auf die Trasse oder weicht vor ihr zurück. Das liegt an den Motiven, am Blickkonzept und am Schnellverkehr, um den es geht. Schink hat nicht Wanderwege und herkömmliche Straßen fotografiert, sondern Trassen, Schneisen, Durchbrüche, moderne Viadukte.
Denn das “Verkehrsprojekt Deutsche Einheit” ist ein gigantischer Beschleuniger. Wo früher ‘Trabis’ – und im Westen VW-Käfer – über Straßen…