Claudia Posca
Hannsjörg Voth – Hassi Romi –
»Die Himmelstreppe und ihr Umfeld«
Museum am Ostwall, 1.4. – 13.5.1989
A 11 Artforum, 31.5. – 29.7.1990
Es gab Zeiten, in denen der Brunnen Mittelpunkt des Lebens gewesen ist. Als lebendiges Zentrum hatte er auch symbolische Bedeutung: Er galt als “Uranfang des Lebens” und als “Symbol des Lebens überhaupt”. Sein Wasser war existentielle Grundlage für Mensch und Natur und wurde eben deshalb auch als wundertätige Quelle verehrt.
In Märchen, Sagen, Legenden, Liedern, Gedichten, Erzählungen und Mythen, aber auch in Gleichnissen, Sprichwörtern und Bildern hat sich seine Ikonographie bis auf den heutigen Tag erhalten: Er wurde als Spiegelbild oder Abbild des Lebens verstanden; im Spiegelbild des Brunnenwassers glaubte der Mensch den Menschen in seiner wahren Gestalt zu erkennen und suchte in der Tiefe des Brunnens seine Sehnsucht und Suche nach Wahrheit erfüllt zu finden.
Der Brunnen taucht als Ort böser und guter Geister auf, vor denen der Mensch sich fürchtet oder von denen er Glück, Liebe, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Reichtum erhofft. Zudem galt er als der Weissagung mächtig oder wurde zum Auge oder Ohr, durch das der Mensch in das Verborgene der Erde einzudringen vermochte.
Dementsprechend verehrte man den Brunnen – nicht nur wegen seiner lebenspendenden und -erhaltenden Kraft, sondern auch wegen seines positiven Zaubers; man mied ihn dagegen als Ort negativ besetzter Kräfte und des Unheils. Ihm zu Ehren veranstaltete man Brunnenfeste oder Opferriten, die ihn zur Wohltätigkeit veranlassen sollten.
Besonders grundlegend für die Symbolik des Brunnens scheint seine lebenspendende Kraft zu sein, das Spiegelbildliche des Wassers und seine Tiefe…