Gerhard Johann Lischka
Hannes Böhringer
G.J.L.: Einer der zentralen Punkte, der dich auch interessiert, ist derjenige der Vorherrschaft der Kunst oder der Philosophie. Wie siehst du das Verhältnis oder die Spannung zwischen den beiden heute?
H.B.: Mich hat damals der Text von Joseph Kosuth “Art after Philosophy” stark mitgenommen. Denn er stand im Kontrast zu meinem Studium bei einem Hegelianer, den ich so verstanden habe, daß die Philosophie die Kunst endgültig überholt habe und daß man deswegen nur noch Philosophie betreiben könne und keine Kunst mehr machen müsse. Da habe ich dann für ein paar Jahre damit aufgehört, mich mit Kunst zu beschäftigen. Das hat sich dann wieder völlig umgedreht. Heute stellt sich für mich die Frage, daß solche Begriffe wie Kunst und Wissenschaft sehr fließend werden, und ich merke auch mit Blick auf die Geschichte, daß die Philosophie auch lange als Kunst bezeichnet worden ist. Auch was die Geisteswissenschaften gemacht haben, wurde als Kunst bezeichnet. Und wieso soll man auf so einen Sprachgebrauch nicht wieder mal zurückkommen?
Es wurde zum Beispiel von Dieter Henrich gesagt, daß die Künstlertexte, die von Gehlen als Konnotationen bezeichnet worden sind und die zum Verständnis der Kunst unseres Jahrhunderts so wichtig seien, nur Philosopheme seien und sich nicht auf der Höhe der philosophischen Begrifflichkeit befänden.
Das finde ich oberlehrerhaft, im Sinne von Abgrenzungspolitik, sich ein Monopol halten zu wollen. Ich sehe das eher marktorientiert: Jeder kann philosophieren, und es wird sich herausstellen, was gut und was schlecht ist. Und die Philosophie versucht das (wenigstens in Deutschland) als…