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Ausstellungen: München · S. 300 - 301
Ausstellungen: München , 1988

Heinz Schütz
Hanne Darboven

Kunstraum, 16.3. – 25.5.1988

Im geistigen Klima des Konzeptualismus und Minimalismus der sechsziger Jahre entstehen Darbovens erste Arbeiten mit den für sie konstitutiven Faktoren Schrift und Zahl. Darbovens “Schrift” allerdings ist ihrer semantischen Dimension beraubt. Sie kennt weder Worte noch Buchstaben. Im gleichmäßigen Auf und Ab der Linien vergegenwärtigt sie autoreflexiv den Vollzug des Schreibens – Schreiben als Akt in der Zeit. In dem im “Kunstraum” ausgestellten “Kalenderblatt” von 1983 erscheinen die Kürzel der geschriebenen Zeit hinter den Monatsdaten als Eintragung, ebenso stehen die das Datum bezeichnenden Zahlen – platonische, d.h. ewige Wesenheiten – hier im Dienst der Vergänglichkeit. Unter dem Vorzeichen permanenter Wiederholung vollzieht sich das Immergleiche, wenn jeder Monat mit 1 beginnt und mit 30 bzw. 31 endet. Der Egalisierung, die die Zahlen vornehmen, entspricht die Anonymität von Darbovens “Schrift”, die zwar Handschrift, aber keineswegs persönlich ist. Sie assimiliert sich an die Objektivität eines Gesetzes – das Gesetz der Zeit -, das etwa in den Totentänzen der Renaissance als alle menschlichen Unterschiede nivellierendes Vergänglichkeitsgesetz formuliert Tod bedeutete.

Was den Aspekt künstlerischer Produktion anbelangt, ließe sich die Elimination der individuellen Handschrift mit Adorno rechtfertigen, wenn er argumentiert, daß die Suggestionen des Expressiven nur die Tatsache verschleiern, daß der Einzelne heute eigentlich nicht mehr zähle. Anführen läßt sich auch Adornos Satz -Darboven zitiert ihn an anderer Stelle -, daß nach Auschwitz, daß Schreiben von Gedichten nicht mehr möglich sei. Darbovens Transkriptionen, ihr “Wiederschreiben” von Homer, Heine oder Rilke in den siebziger Jahren führt Literatur über in Verstummen. Gedichte aus…


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