ANSELM CRÄMER
Günther Lierschof
Günther Lierschof benützt als Instrument die abgebildete Zeichenmaschine: ein gleichmäßig laufender und stark übersetzter Elektromotor zieht ein Papierband stetig über ein Feld der Brettunterlage. An der Mittelmarkierung kann es bezeichnet werden.
In diesem Fall lief der Streifen ununterbrochen während der Woche vom 8. bis 14.6. 1974, je 76 Meter in 24 Stunden. Das Gerät stand an der Atelierwand gleich neben der Schlafstelle. Gewisse Momente im Tagesablauf des Künstlers, der wie gewöhnlich arbeitete, aß, schlief, mit Freunden sprach usw., nämlich Rhythmus und Intensität von Tätigkeit und psychisch-physischer Disposition wurden zunächst deutlich im Bewußtsein registriert. An diese Befunde hängte sich ein aufnehmender oder umsteuernder Entschluß und stabilisierte jeweils den ‘inneren Rhythmus’ zum Durchhalten einer Tätigkeit, zum Abwarten oder auch zum Abbruch. Sobald sich ein bestimmter Zustand als signifikant herausstellte, wurde mit ruhender Hand ein breiter schwarzer Filzstiftstrich auf das weiterlaufende Band gezogen. Strichlängen zwischen einer halben und dreißig Minuten Dauer entstanden als Äquivalent für das empfundene Tempo der Tätigkeit. Die kurzen Striche erhielten den Charakter einer Bezeichnung, lange gerieten selbst zur Situation. Verlaufsrhythmen sollten dabei nicht schematisch festgehalten werden, da Konzipierung langfristiger Verläufe der Konzentration auf reale Prozesse widerspricht.
Das Gesetz des Tagesablaufs offenbarte sich als Wechselspiel von Rezeption des Unwillkürlichen, Einstellen auf Vorgefundenes und bewußter Herstellung, d.h. Inszenierung, vergleichbar den Reaktionsmustern bei langen Autofahrten oder Atemübungen.
Nach Abschluß des Gesamtverlaufs wurde das Material in eine vorher geplante Form gebracht. Jeder der sieben Tagebänder wurde in 48 je l ,60 m lange Streifen geschnitten, jeder repräsentierte also eine halbe Stunde. Zellenförmig übereinandergeklebt…