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Titel: Inszenierte Fotografie II · S. 74 - 75
Titel: Inszenierte Fotografie II , 1986

Günther Förg

Bevorzugtes, wenngleich beileibe nicht ausschließliches Motiv seiner künstlerischen Arbeit ist eine spezifische Spielart der Architektur. Diese huldigt weder den klassischen Prinzipien Albertis oder Palladios noch den funktionalistischen eines Mies van der Rohe. Es ist eine Architektur, die sich gleichsam selber in Szene setzt, eitel und hohl, von aufdringlicher Präsenz und phrasenhafter Gestaltungsrhetorik. Etwa der ‘Palast der italienischen Zivilisation’ in Rom. ‘EUR, wie Mussolinis Drittes Rom genannt wird, ist insgesamt nicht mehr als ein Pappmache-Rom: Neoklassizismus aus Plätzchenformen. Man brauchte es nicht abzureißen, es war ja von der Hauptstadt weit genug entfernt und konnte dadurch nicht zum Ärgernis werden. Es folgt den gleichen Kriterien wie Speers Arbeiten, ohne deren monumentale Größe zu haben – die Architektur eines autoritären Staates muß außen klar und regelmäßig sein, damit das Auge des Betrachters nicht entnehmen kann, was sich im Inneren abspielt. Sie muß ein Pokergesicht haben bis hin zur Unbeweglichkeit: Die Maske darf niemals fallen. Kein faschistisches noch erhaltenes Gebäude verkörpert dies besser als der Palast der italienischen Zivilisation in EUR’ (Robert Hughes). Günter Förg rückt dieses Gebäude leicht in die Diagonale, so daß die Linien stürzen, bemüht sich nicht um Paralaxe-Ausgleich, wie es jeder professionelle Fotograf tun würde, sondern nutzt die vermeintliche Sehschwäche der Kameralinse zur eindringlichen künstlerischen Ausdrucksform. Seine überlebensgroßen fotografischen Aufnahmen verschieben unmerklich die verbindlichen Muster der Dokumentarfotografie und gewinnen dem Medium den ästhetischen Wert der Expressivität hinzu.

Trotz aller Kühle, die seine Fotografie im ersten Kontakt auszustrahlen scheint, ist Günter Förg dem Geiste nach ein expressionistischer Künstler. Häufig inszeniert er…

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