Reinhard Ermen
Günther Förg
Museum Fridericianum, Kassel, 7.10. -16.12.1990
Eine Retrospektive sollte es nicht sein, und so wurde die bislang größte Museumsausstellung von Günther Förg ein Rückblick auf die Produktion der letzten zwei Jahre; die präsentiert sich bei der Premiere in Kassel über den gesamten ersten Stock des Museums Fridericianum. Das sind gewaltige Dimensionen, manch ein betagter Künstler würde in solchen Zimmerfluchten auch mit einer Retrospektive scheitern. Nicht so Günther Förg; man mag zu seiner Arbeit stehen, wie man will, aber die Ausstellung gelang. Es scheint so, als sei diese Kunst für solche Räume geradezu geschaffen, die Ausstellung paßt dem Haus wie angegossen, und es kommt in Kassel zu einer selten erlebten Synthese aus spätfeudaler Raumpracht mit großangelegter Bildwirkung.
Die Ausstellung ist auch deshalb so spannend, weil sich in der hier gezeigten Zweijahresproduktion Förgs eine bemerkenswerte Entwicklung vollzieht. Die Fotoarbeiten mit den raumbezogenen Malereien liegen hinter ihm, ein fernes Echo sind noch einige Fototafeln mit Gebäudekomplexen, deren einigendes Merkmal jeweils ein Schriftzug innerhalb des monumentalen Architekturausschnitts ist. Malerei auf schweren, eigensinnigen Materialien wie Kupfer, Blei, auch Holz tritt in den Vordergrund, obwohl auch einige charakteristische Bilder mit Acryl auf Leinwand zu sehen sind. Doch Förg will anscheinend die Skulptur. Als markante Fortsetzung der schweren “Materialbilder” lassen sich die Bronzereliefs beschreiben, die sich dann als Stele von der Wand lösen und zu guter Letzt in skulpturalen Masken ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Diese letzte Offenbarung kann selbst gutwillige Betrachter verunsichern, denn Förgs Masken sind von erschreckender Kunstgewerblichkeit, eine Tendenz, die sich andeutungsweise schon in den…