Annelie Pohlen
Guillaume Leblon
»Vibrierendes Erlebnis von Leere und befreiter Imagination«
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, 4.6. – 27.8.2006
Auf Holzböcken gelagert ruht ein Baum; halb tote Natur, halb künstliche Züchtung mutet er an wie ein mythisches Wesen auf seiner letzten Fahrt in eine andere Welt, ein wenig so, wie man sich die Reise der Pharaonen ins Reich der ewigen Götter vorzustellen geneigt ist. Vor dem großen Fenster zum Grabbeplatz fristet das zwischen dramatischer Existenzmetapher und vergessenem Pflanzendekor schlingernde Gebilde ein selbstvergessenes Dasein im undefinierbaren Jetzt an der Schnittstelle vom Drinnen zum Draußen.
Von dieser mit schwarzem Farbmantel und weißlich gesprühter Krone eingekleideten Züchtung eines Ginkobaumes aus naturwüchsigem Stamm und künstlicher Handelsware in eine kurvenreiche Wahrnehmungsbahn zwischen rationaler Analyse und intuitiven Traumbildern gelockt gelangt der Besucher in eine szenische Aufführung, in der karge Repräsentanten brüchiger, unfertiger, verlorener Träume von der Moderne in einen Zustand subtiler Bodenlosigkeit versetzen. Wie selbstverständlich abgestellt posieren im lang gestreckten Ausstellungsraum blasstonige Wandsegmente, Plattformen, Raumteiler, geometrische und amorphe, kristalline und organische Gebilde. Subtil konterkariert durch einen massiven Block, der die Wand zwischen Foyer und Ausstellungsraum durchbricht, gerät das Raumvolumen aus dem Lot, was auf wunderliche Weise die Lust, an dieser Aufführung als Flaneur zu partizipieren, zu steigern vermag.
Als “eine wissenschaftliche und eine sentimentale Geographie” benennt Luca Cerizza die Essenz des Werkes von Guillaume Leblon (*1971) mit Blick auf die erste Einzelausstellung des in Paris lebenden Künstlers in Deutschland. Wiewohl eingebettet in den andauernden Diskurs über Aktualität oder Tod der Moderne gelingt den materiellen Chiffren ein vom…
