Michael Hübl
Großbritannien
Gilbert & George – Ginkgo Pictures
Am Werk von Gilbert & George kann man messen, wie groß der Abstand ist zwischen einer Flasche Gin und einem Ginkgo-Blatt: Er scheint schier unendlich. Erfahrbar wird die Distanz am Grad der visuellen Lautstärke. Als das Künstlerduo 1972 in seinem Zwölf-Minuten-Video „Gordon’s Makes Us Drunk“ die Kunst stummen, und doch dialogischen Alkoholkonsums bei vollständiger Wahrung der Contenance demonstrierte, bediente es sich einer knappen, zurückhaltenden Formensprache: Schwarzweißfilm, statische Kamera, minimale Bewegungen der beiden Akteure Gilbert Proesch und George Passmore, die sich Ende der sechziger Jahre zusammentaten und die seither unter dem Label Gilbert & George zusammenarbeiten – eng und unzertrennlich, wie die beiden immer wieder betonten und wie sie jetzt im britischen Pavillon in gleichsam heraldischer Zuspitzung und mit einem überbordenden Aufwand an Bildern vor Augen führen.
Gilbert & George treten an im Zeichen des Ginkgo-Blatts, das sie zum Symbol ihrer Symbiose stilisieren. Hat nicht schon Johann Wolfgang von Goethe, auf den im Katalog ausdrücklich hingewiesen wird, in seinem Gedicht „Gingo biloba“ vieldeutig die Besonderheit des Blattes beschrieben, das eins ist und doch aussieht, als sei es aus zwei Teilen zusammengefügt: „Ist es ein lebendig Wesen,/ Das sich in sich selbst getrennt?/ Sind es zwei, die sich erlesen,/ Daß man sie als eines kennt?“ G&G gehen es weniger lyrisch an. Die gelassene Verhaltenheit, mit der sie einmal, ganz im Geist der frühen Siebziger, ihre Gin-Session inszeniert haben (die ebenso witzig wie raffiniert das Thema Wahrnehmung behandelt) – diese Verhaltenheit hat das Duo in den zurückliegenden…