Helga Griffiths
Grenzgänge in
Wahrnehmungsräumen
Ein Gespräch von Christian Huther
Helga Griffiths beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der menschlichen Wahrnehmung und mit den Codes, die unsere Kommunikationswelt prägen. Die in Darmstadt lebende Künstlerin (geb. 1959) versucht unserer stark visuell geprägten Kultur gegenzusteuern und in Multi-Sense-Installationen zugleich Geruchs-, Gehör-, Tast- und Sehsinn zu stimulieren. Sie bringt also die Kunst aus der Virtualität und aus der Distanziertheit wieder auf lebendige und sinnliche Weise in die unmittelbar erfahrbare Welt zurück – bei dieser Art des Umgang mit Kunst und Wissenschaft fällt ihr automatisch eine neue wegweisende Rolle zu. Griffiths’ Arbeitsweise skizziert Bettina Pelz in wenigen Sätzen sehr anschaulich: „Der künstlerische Schwerpunkt liegt im Forschen und Formen von Wahrnehmungen. (…) Alltagsobjekten und -kontexten entzieht sie die Vertrautheit. Die Sicherheit der Verlässlichkeit der sinnlichen Wahrnehmung löst sie auf und provoziert eine erhöhte Wahrnehmungsintensität: es entsteht lebendiger Raum, in dem sich Erfahrungen, Erinnerungen und Assoziationen fortwährend wandeln können.“
Ausgangspunkt von Griffiths’ Arbeiten ist also, wie es Lydia Hartl bündig formuliert hat, „eine Art Anthropologie der sinnlichen Erfahrung“, die sie zu regelrechten „Grenzgängen in Wahrnehmungsräumen“ ausweitet. So zeigt die Künstlerin beispielsweise, wie eng Erinnerung und Geruchssinn miteinander verknüpft sind. Die Assoziation an Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist da zwar naheliegend, aber eigentlich nur eine Brücke zur Wissenschaft. Denn angeregt von Proust haben sich seither ganze Generationen von Gedächtnisforschern mit der Verknüpfung zwischen Erinnerung und Geruchssinn beschäftigt. Dieses von Proust konstatierte episodische oder autobiografische Gedächtnis wird, so weiß die Forschung inzwischen, aktiviert von der Schaltzentrale des…