Gregor Schneider
Ars moriendi
Ein Gespräch von Ann-Katrin Günzel
In den Arbeiten von Gregor Schneider (*1969 in Rheydt) ist das Körperliche zumeist geheimnisvoll – wenn nicht gar unheimlich. International bekannt geworden ist er durch das Haus u r, sein Elternhaus in Mönchengladbach Rheydt, das er 1985 – 2001 bewohnte und dessen Räume er weltweit auf Ausstellungen begehund erfahrbar macht. Das Haus u r, das Schneider 2001 in den Deutschen Pavillon der Venedig Biennale einbaute, ist nach wie vor der (biografische) Ausgangspunkt seiner Arbeit. Die spartanischen, verwinkelt angeordneten Räume irritieren unsere Wahrnehmung, sind seltsam vertraut und zugleich suggerieren sie in ihrer verlassenen, schalldichten Isolation ohne Ausblicke surreal-albtraumhafte Erfahrungen. Sie sind wie unsichtbare Spuren der menschlichen Existenz, lassen eine (unheilvolle) Präsenz gelebter Geschichte(n) erahnen und vermitteln das Gefühl unerwünschter Zeug*innenschaft, ganz so, als wäre hier noch etwas oder jemand anwesend, in deren Bereich wir gerade ohne Erlaubnis eindringen. Auf den Klingelschildern finden sich neben Schneiders eigenem Namen die der abwesenden Mitbewohner*innen: Hannelore Reuen und N. Schmidt. Letzterer zog 2001 in Venedig ins Haus u r, wie ein körperlicher Stellvertreter von Schneider, was keinesfalls heißt, dass er anwesend oder gar sichtbar war. Er trat erst in Bremerhaven im Oktober 2001 als sichtbarer Körper in Erscheinung – lag am Abend der Ausstellungseröffnung regungslos im Kabinett für Aktuelle Kunst und zeigte damit die totale Erschöpfung, die der Künstler durch den Biennaletrubel empfand, nachdem Tausende von Menschen auf einmal im sonst verlassenen Haus u r treppauf treppab liefen, Stimmen erklangen, alles berührt und erkundet wurde, körperliche Präsenz…