Richard Aschinger
Graffiti & Street Art
Wände und Mauern in Städten und Strassen stellen ein Paradoxon dar. Ursprünglich schützten und trennten sie – heute sind sie weltweit zu einem Medium der Kommunikation zwischen den Menschen geworden. Graffiti, philosophische und politische Slogans, humorvolle, traurige, liebliche oder einfach spinnerte Wandinschriften begegnen uns auf Schritt und Tritt in der Stadt. Die Stadt hat sich zur lebenden Leinwand, zu einem Buch mit Bildern und Zeichen entwickelt. Sie ist kein Kunstwerk, aber ein Medium, in dem Kunst und Sprache möglich werden und in Erscheinung treten. So erweitert sie sich zur Galerie, zur Bibliothek, zum Altar des öffentlichen Raums und Lebens. Die Schaufenster, Reklametafeln, Neonleuchtschriften, Verkehrstafeln usw. haben diese Art der Wahrnehmung vorbereitet. Die Graffitisten-Metropole New York zeigte sich in den 70er und erst recht Anfang der 80er Jahre im Gewand einer tatöwierten Hydra: Die Sprüher hatten mit ihren Graffiti auf Mauern und Zügen die ganze Stadt zu einer riesigen Galerie gemacht. Die Graffiti sind heute weg. New Yorks Subway-Züge, in ihrer wilden Bemalung jahrelang ein Wahrzeichen für aggressive Kreativität und Chaos in dieser Stadt, sind wieder sauber. Nach einem mehrjährigen Kampf mit Farbe, Stacheldraht, Verfolgungen und Verhaftungen gegen die meist schwarzen Spraykünstler haben die New-York-Transit-Behörden am 12. Mai 1989 in einer stolzen Feier den letzten Graffiti-Zug aus dem Verkehr genommen. Deshalb ist es eigentlich Etikettenschwindel, wenn dieses Kapitel “Graffiti und Street Art” betitelt ist. Graffiti zu zeigen, wäre nämlich heute schlicht out of time. Dennoch: Keith Haring spricht darüber, weil Graffiti für die Kunstwelt der 80er…