DAS NEUE AUSSTELLEN II
Paolo Bianchi
Gott ausstellen
Wer Gott ausstellen will, muss gegenüber den Besuchern der Ausstellung zu dem Eingeständnis bereit sein, dass es Gott zwar nicht zu sehen geben wird, seine Anwesenheit jedoch nicht ausgeschlossen werden kann. Zeigen lässt sich vonseiten der Kuratoren (als Priester?) immerhin das weite Land der Religion – mit Artefakten und Atmosphären. Das erinnert an eine Szene aus dem Film „Blow up“ (1966) von Michelangelo Antonioni, bei der ein Fotograf am Morgen nach einer turbulenten Nacht an einen umzäunten Platz kommt. Dort spielen zwei Menschen Tennis. Zu sehen sind deren Bewegungen, aber nicht der Ball. Die Kamera verfolgt mit ihren Schwenks die Flugbahn der imaginären Filzkugel. Das Unwirkliche wird immer wirklicher, denn immer lauter wird das Geräusch der Ballaufschläge. Plötzlich fliegt der zu keinem Zeitpunkt identifizierte Ball über das Gitter und fällt offenbar dem Fotografen vor die Füße. Nach anfänglichem Zögern bückt er sich nieder, hebt etwas auf, das nicht da ist, und wirft es zurück, so dass die Spieler ihr Spiel fortsetzen können. Der Ball ist ebenso wenig präsent wie Gott in der Ausstellung. Aber es gibt das Spiel. Seine Dynamik vermag die Zuschauer mit einer gewissen Zwangsläufigkeit in Mitspieler zu verwandeln. Dieses Geschehen verdichtet sich zum Aufruf von Rüdiger Safranski im Magazin „Cicero“ (5/2004), mit dem Spielen zu beginnen, um zu merken, wie wirklich der Ball ist. „Zivilreligion ist das Spiel ohne Ball. Man spielt ‚als ob’ ein Ball, also Gott, da wäre. Wenn das Spiel ‚funktioniert’, ist es am Ende gar nicht so wichtig,…