Gloria Friedmann
Gloria Friedmanns Begriff des Kulturellen läßt sich aus ihren Arbeiten kraftvoll und unmittelbar ableiten. Und er ist grundlegender, umfassender als das, was unser Sprachgebrauch, aber auch das Kulturverständnis der meisten Spezialisten unseres Betriebes darunter subsumiert. Er befragt das gesamte Spektrum des menschlichen Eingriffs und seiner Gestaltungsformen, oder anders, den menschlichen Anteil der Natur als Bestandteil derselben. Die Reflexion und künstlerische Bearbeitung dieses Verhältnisses von Mensch und Natur erfolgt in ihrer Arbeit weniger aus einer gesellschaftskritischen oder gar weltanschaulich-politischen Sicht, als vielmehr aus einer ganz elementaren Position heraus. Gloria Friedmann ist stets Beobachtete und Handelnde in Personalunion, die sich dem fortwährenden Ausgesetztsein von Beeinflussungen genauso bewußt ist wie der Tatsache, selbst permanenten Einfluß auszuüben. Das Wissen um diese unverrückbare Stellung des Menschen als eines Natur- und Kulturwesens, eines Wesens also, das sich sowohl als Betrachtender zur Natur verhält, wie selbst immer Natur ist, führt zwangsläufig zu einer hermeneutischen Gleichzeitigkeit und Überblendung der natürlichen und kulturbedingten Erkenntnisebene. Und ebenso widersprüchlicher menschlicher Verhaltensweisen. Die Künstlerin unternimmt erst gar nicht den sinnlosen Versuch, diesen Mechanismus zu attackieren. Sie nimmt ihn an als den vielleicht größten und elementaren Widerspruch menschlicher Existenz, um ihn zum kreativen Motor der eigenen Arbeit zu transformieren. Indem sie dies tut, erbringt sie den Nachweis, daß das Erfassen von Kultur als einem “Gemenge vieler Ingredienzen: Hunger neben Luxus, Gewalt neben Behaglichkeit, Völkerfluchten neben Eigenheimgemütlichkeit, Fundamentalismuswahn neben Religiosität” (Cathérine David) keine bloße, hilflos-ungestaltende Beobachtung bleiben muß. Gloria Friedmann nimmt all dem gegenüber eine klare Haltung ein. Nicht synthetisch, aber mit der…