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Ausstellungen: München · von Cornelia Gockel · S. 364 - 365
Ausstellungen: München , 2001

CORNELIA GOCKEL

Glenn Ligon –
Portraits and Not Portraits

Kunstverein München, 15.8. – 7.10.2001

An manchen Tagen fühlte sich Glenn Ligon in München wie der Schwarze in der Erzählung “Stranger in the Village” von James Baldwin. Darin berichtet der Autor von den Erlebnissen eines homosexuellen Afrikaner-Amerikaners, den es in den 50er Jahren in ein Schweizer Bergdorf verschlagen hat. Damals war das eine kleine Sensation, denn die meisten dieser Menschen hatten niemals zuvor einen Schwarzen gesehen. Eindringlich beschreibt Baldwin in seiner autobiografischen Erzählung das Gefühl der Isolation und des Fremdseins. Für Glenn Ligon, afroamerikanischer Künstler aus New York, war das sechsmonatige München-Stipendium des Kunstvereins, der Swiss Re Germany AG und des DAAD der erste Auslandsaufenthalt. Doch in die Vorfreude auf die große Reise mischte sich die Angst, denn Ligons Deutschlandbild war geprägt von den rassistischen Ausschreitungen Rechtsradikaler. Seine Vorstellungen vom Leben in einem anderen Kontext verarbeitete er in einem Wandbild, das er für seine Ausstellung im Kunstverein “Portraits and Not Portraits” in München realisiert hat.

Mit schwarz glänzender Acrylfarbe bemalter er eine Fläche von 320 x 225 cm und übertrug darauf mittels Schablonen einen Textauszug von “Stranger in the Village” in Kohlegrus. Ligon arbeitet häufig mit diesem granulatartigen Material, das beim Kohleabbau als Abfallprodukt anfällt. Je nachdem welchen Blickwinkel der Betrachter einnimmt, wirkt es tief schwarz wie ein Loch, das jedes Licht schluckt, oder glitzert verführerisch wie schwarzer Diamantstaub. In ihrer eigentümlichen Konsistenz entzieht sich die schwarze Schrift auf schwarzem Grund der Lesbarkeit. Der Betrachter nimmt den Text nur noch als reliefartige Struktur eines…

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