Christoph Doswald
GLAMOUR TOUJOURS
ÜBER SYLVIE FLEURY
Der Monitor zeigt die Heckansicht eines großen amerikanischen Autos. Das Schweizer Kennzeichen weist den Wagen einem Genfer Besitzer zu. Es ist sommerlich heiß, das gleißende Mittagslicht verleiht der Szenerie eine erbarmungslose Härte, Straße und Trottoir sind menschenleer. Im Hintergrund dudelt seichte Unterhaltungsmusik. Von links tritt eine Frau ins Bild – auf hohen, rosaroten Hacken stöckelt sie um den Wagen herum, öffnet den gigantischen Kofferraum, verstaut einen kleinen schwarzen Schminkkoffer darin, setzt sich in den Wagen, fährt davon, um kurz darauf wieder zurückzukehren, den Wagen zu verlassen, den Schminkkoffer auszuladen und ins Haus zurückzukehren.
Indifference of Beauty
“Vanity Case”, so der Titel des 1995 entstandenen Videos, ist eine typische Arbeit der Genfer Künstlerin Sylvie Fleury. In einer kurzen loopartigen Video-Schlaufe vereinigt es alle jene Momente, die ihren künstlerischen Ansatz im wesentlichen charakterisieren. Evident ist etwa in ihren frühen Arbeiten die Hyperstilisierung des Weiblichen: die Frau im engen orangen Schlauchkleid, auf hohen Absätzen, kann sich kaum richtig fortbewegen, derart haben die modischen Accessoires die natürliche Physiognomie in Beschlag genommen. Das Tippeln der Füße ähnelt mehr einem stilisierten Tanz, denn einer funktionalen Tätigkeit. Kurz: die Schrittlänge wird von der Couture bestimmt. Dieses Zur-Schau-Stellen von ritualisierten alltäglichen weiblichen Stereotypen und Vorbildern zeichnet die Arbeit von Sylvie Fleury aus. In Installationen, Wandbildern, mit Objekten und Fotografien geht sie seit den frühen neunziger Jahren der Frage nach, wie das Weibliche in der abendländischen Gesellschaft formal wie inhaltlich determiniert und stilisiert wird. Dabei bedient sie sich nicht einer analytischen Annäherung, sondern praktiziert eine introspektive,…