Berlin
Gisèle Vienne und die Puppen der Avantgarde
Georg Kolbe Museum 13.09.2024 – 09.03.2025
von Peter Funken
Mit Ich weiß, daß ich mich verdoppeln kann ist ein besonderes Ausstellungsprojekt entstanden, zeigt es doch neben Arbeiten von Gisèle Vienne (* 1976) bedeutende Werke und Dokumente etlicher viel zu wenig beachteter Künstlerinnen des frühen 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung bearbeitet das Puppen-Thema ausschließlich aus weiblicher Perspektive. Gisèle Vienne, dieser international agierenden Allroundkünstlerin, wird mit gleich drei Spielstätten in Berlin extrem viel Raum geboten: die Franco-Österreicherin ist nicht nur im Kolbe Museum und dem Haus am Waldsee präsent, sondern auch in den Sophiensälen, wo ihr Tanztheater Crowd aufgeführt wird. Im Eingangsbereich des Kolbe Museums zeigt sie neben Fotos eine Puppen-Installation – es ist eine Gruppe verstört starrender Teenager, denen irgendein Schreck gewaltig in die Knochen gefahren ist.
Auch im Video Kerstin Kraus zeigt Vienne bedrückende Situationen: eine Mutter-Sohn-Beziehung, das Kind, eine hässliche Puppe, die sprechen kann, wobei sich gegen Ende herausstellt, dass die Mutter den künstlichen Knaben wie eine Bauchrednerpuppe handhabt. Der Sohn führt also ein Scheinleben, das dennoch in einem autodynamischen Prozess unermüdlich mütterliche Funktionen antreibt. Das für die Berliner Ausstellung hergestellte Video handelt auf ungewöhnliche Weise von bekannten Wahrheiten, die dennoch nach wie vor ausgeblendet werden. Die weiteren Arbeiten der Ausstellung zeigen den weiblichen Blick auf die Welt der Puppen anhand besonderer kunsthistorischer Beispiele: im oberen Raum wunderschöne Marionetten und Handpuppen; im unteren Ausstellungsbereich historische Fotografien und Filme, Bildwerke, Zeichnungen und Scherenschnitte aus den 1920 und 30er Jahren. Hier liegt der eigentliche Schatz der Ausstellung…