Wout Nierhoff
Gilbert & George
»Naked Shit Pictures«
Jablonka Galerie, Köln, 11.11.1994 – 21.1.1995
»Shitty Naked Human World«
Kunstmuseum Wolfsburg, 18.12.1994 – 12.03.1995
Pointiert faßte einst der Kasseler Künstler Harry Kramer seine existentielle Unsicherheit in dem Satz zusammen: “Ob ich scheiße oder pisse – alles führt ins Ungewisse.” Und schon lange bevor das neckische Präsent “Hosen in Dosen” im Handel feilgeboten wurde, nutzte der italienische Poverist Piero Manzoni jene kleinen Blechcontainer, die man ansonsten nur mit Ravioli und Linseneintopf in Verbindung bringt, für jene menschlich, allzu menschlichen Ergüsse, die nicht dem großen Geist des Menschen entspringen, sondern – ganz im Gegenteil – dem Hinterteil entfleuchen. Dabei ließ Manzoni die Frage unbeantwortet, ob sich in der Dose tatsächlich jene “Merda d’artista” befand, die der Titel seiner Arbeit so vollmundig anpries.
Diese Zeiten des existentiellen Zweifelns und Rätselratens im Zusammenhang mit menschlichen Exkrementen scheinen nun – dank Gilbert & George – endgültig vorbei zu sein. Zumindestens suggerieren dies die neusten Arbeiten des Künstlerpärchens, das seit 1968 gemeinsam in London lebt und arbeitet: Gilbert & George zeigen nämlich alles, was sie (oder Sie) schon immer über “Naked Shit” wissen wollten. Es scheint so, als hätten der gebürtige Dolomiter Gilbert Proesch, der einst die Schnitzschule von Oberammergau besuchte, und sein britischer Kompagnon George Pasmore endgültig die Hosen runtergelassen, um zu zeigen, was zu zeigen ist.
Das hatten sie schon in den 60er und 70er Jahren getan, als sie sich selbst, ihre Körper und Stimmen unmittelbar als Kunstwerk präsentierten. Stundenlang sangen sie damals sich und andere als “Singing Sculptures” und…