Heinz Schütz
Gilbert & George
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 15.4.-14.6.1987
Hayward Gallery London, 9.7.-26.9.1987
Nach Bordeaux, Basel, Brüssel und Madrid ist München die vorletzte Station – es folgt noch London (9. 7. – 26.9. 86) – der quer durch Europa wandernden Gilbert & George-Retrospektive. Den Katalog zur Ausstellung, der die gesamten zwischen 1971 und 1985 entstandenen Fotoarbeiten dokumentiert, leitet ein lesenswerter Essay von Carter Ratcliff ein. Engagiert weist Ratcliff weitverbreitete Interpretationen als modernistisches Mißverständnis zurück, die Gilbert & George in die Nähe von Minimalismus oder Conceptualismus, von »Innovationismus«, Process-Art oder auch Performance-Art rücken.
Dahingestellt sei, ob es haltbar ist, Performance als auf den Körper übertragenen Minimalismus zu betrachten, ob Moderne und Reduktionismus tatsächlich so eng Hand in Hand gehen, dahingestellt sei aber auch, ob die Berufung auf klassische Kategorien wie Form und Inhalt weiterführen kann. Doch unabhängig davon verdient Ratcliffs Essay allen Respekt in seinem Versuch, einen Standpunkt jenseits von Modernismus/Postmodernismus einzunehmen und von hier aus Gilbert & George beim Wort zu nehmen, das heißt etwa auch sie in ihrer Forderung nach »Kunst für alle« ernst zu nehmen. Wenn Ratcliff die gelungene Vereinigung von Kunst und Leben bei Gilbert & George würdigt, läßt er sie unausgesprochen an einem Programm der Moderne partizipieren, das Peter Bürger in seiner »Theorie der Avantgarde« bereits 1974 für gescheitert erklärte. Zwar läßt sich im Sinne einer künstlerischen Tendenz des letzten Jahrzehnts bei Gilbert & George von einer Rückkehr zum Bild sprechen, aber ebensogut handelt es sich hier um eine Schauplatzverlagerung der »Living sculptures«, sind sie in den…