Christoph Doswald
Gilbert & George
»The Cosmological Pictures«
Kunsthalle Zürich, 17.1. – 15.3.1992
Wiener Secession, Wien, 9.4. – 17.5.1992
Als vor nicht allzu langer Zeit die Berliner Mauer als überkommenes Sinnbild einer von Ideologien gespaltenen Welt unter dem Druck der ökonomischen Sehnsucht ihren Geist aufgab, glaubte so manche naive Seele dies- und jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs an bessere Zeiten. Krakau und Budapest gehörten mit einemmal zum westlichen Kosmos, genauso wie London, Rom und New York. Die Illusion der zweisamen Einigkeit, der sich Gilbert & George seit mehr als 20 Jahren hingeben, schien plötzlich von der alltäglichen Realität eingeholt, ja überrundet. Kein Wunder, daß sich Gilbert & George, die beiden unermüdlichen Weltverbesser, flugs ans Werk machten, um diese vermeintliche globale Harmonie in Szene zu setzen. Im geschichtsträchtigen 1989 entstanden 25 Bilder, die mit dem prophetischen Titel “The Cosmological Pictures” nun eine Ausstellungstournee durch zehn europäische Metropolen zwischen Budapest und Barcelona absolvieren.
Vordergründig haben die großformatigen “photo-pieces” ihren Biß verloren, den Bildern eignet eine ans Understatement grenzende Farbigkeit, und die Sujets haben nichts mehr vom provokativen Chic der Punk-Ära, als Gilbert & George die gesellschaftsnegierenden Wandsprayereien der No-future-Ideologen auf die Leinwand projizierten oder homoerotische Anliegen thematisierten. “The Cosmological Pictures” verherrlichen auf den ersten Blick eine versöhnliche Weltsicht voller Optimismus. Doch die Subversion lauert im Detail. Die Welt, das haben gerade Gilbert & George oft genug am eigenen Leibe erfahren müssen, ist beileibe nicht so gut, wie dies die optimistischen Integrations-Politiker 1989 der Öffentlichkeit weismachen wollten.
“Look”, das erste Bild der in sich geschlossenen Serie, entpuppt sich…