Jochen Becker
GEWALT/Geschäfte
»Eine Ausstellung zum Topos der Gewalt in der gegenwärtigen künstlerischen Auseinandersetzung«
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Kunstamt Kreuzberg und Schwules Museum, Berlin, 10.12.1994 – 17.2.1995
Welchen Bezug haben Akte physischer Brutalität in häuslichen, sozialen und politischen Bereichen der Gesellschaft zur Produktion, zur Kritik und zur Distribution von Kunst? … Ganz einfach, das Kunstgeschäft unterstützt, wie jedes andere einflußreiche Kulturbusiness, Fernsehen, Werbung und Kino, männliche Gewalt gegen Frauen”, beschreibt Laura Cottingham im Katalog den einträglichen Sexismus im Kunstbetrieb und nennt Richard Prince, Jeff Koons, David Salle und Matthew Barney. Man hätte natürlich auch die gerade virulente Kippenberger-Debatte ins Feld ziehen können, doch dies erwähnt der Ausstellungsinitiator Frank Wagner nur am Rande in einem taz-Interview: “Wir zeigen keine ausgesprochen zynische Haltung in der Ausstellung, sondern moralisch-ethisch sehr ernsthafte Arbeiten. Denkbar wäre ja auch jemand wie Martin Kippenberger gewesen oder offensiv sensationellere Werke.”
Damit wären wir beim zweiten Knackpunkt der Veranstaltung: ‘GEWALT/Geschäfte – Eine Ausstellung zum Topos der Gewalt in der gegenwärtigen künstlerischen Auseinandersetzung` “ist Tendenzkunst im positiven Sinne … mit einem hohen moralischen Anspruch an sich und den Betrachter”, heißt es im Nachwort. Es gehe um “Fragen der moralischen Position” und ihrer kommerziellen Verwertung. Nun ist Moral ein bürgerlicher Begriff, der recht gut zum sprachlosen Kettenstehen am Straßenrand mit dem Teelicht in der Hand paßt. Moralisch sein ist immer gut, nur ohne Zusammenhang bleiben von einer so konzipierten Gruppenausstellung nur mehr “Einzeleindrücke” übrig, wie der Berliner Tagesspiegel feststellte. Was fehlt, ist die Direktion.
“Uns interessierten die genuin künstlerischen Konzepte und damit die individuellen…