GESUNDHEIT
Zu den überlieferten Methoden der Hausapotheke gehört das Belegen einer geschwollenen Hautpartie mit rohem Fleisch. Meistens nimmt man mageres Rindfleisch dafür. Die Performerin Inge Broska inszenierte 1994 in der rheinischen Landesklinik Bedburg-Hau eine “Schinkenheilung” durch Speckstreifen, mit denen sie ihr Gesicht bedeckte. Die Beschäftigung mit volksmedizinischen Hausmitteln und mit den Techniken der großmütterlichen Hausfrauenküche, die größtenteils in Vergessenheit geraten sind, ist Teil von Broskas künstlerischem Gesamtkonzept.
Der Karlsruher Künstler Klaus Heid bemüht sich ebenfalls um “Heilung”, und zwar “gegen Kunstbeschwerden aller Art”. Sein “Heilkunst”-Konzept “gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Kunstbetriebs” legte er 2000 in einer Buchpublikation nieder.1 Denn, so belehrte die Zeitschrift “Elle” ihr Publikum, “Kunst kann krank machen, aber auch gesund”. Die “Junge Welt” sieht in dem Heid-Werk “ein ernstzunehmendes Heilkräuterbuch”: Es ist nämlich ein botanisches Bestimmungsbuch und zugleich ein “hochkomisches satirisches Lexikon” (Frankfurter Rundschau)2.
Zur praktischen Erprobung der Heid’schen Heillehre vertreibt der Berliner Martin Schmitz-Verlag zudem drei verschiedene Sorten von “Heilkunst”-Tees nach Artur Kling. Der Botaniker und Naturheilkundler Artur Kling (1895-1933) hatte gehofft, am Rhonegletscher “eine Heilpflanze zur Behandlung nahezu aller Krankheiten zu finden”. Er ist dort auf einer Expedition verschollen.3
Fitness-Food
Heids Teeangebot reagiert auf den ” etwas irren Zustand” des heutigen Kunstbetriebs, wie die Berliner “Zitty” urteilt. Zugleich legt Klaus Heid den Finger aber auch in die Wunde einer gestörten generellen Befindlichkeit in unserer Gesellschaft. In den gängigen “sozial codierten Körperbildern” folgen Hypochondrie und Fitness-Kult nämlich oft dem gleichen Leidensdruck. Die Mode-, Sportartikel- und Kosmetikindustrie, die Gesundheitspolitiker und die Nahrungsmittelproduzenten, die Kurdirektoren und die Krankenkassen bilden zusammen als Über-Ich…