Gesine Borcherdt
Kunstkritikerin und Kuratorin
Gesine Borcherdt ist Kunstkritikerin bei der Zeitung DIE WELT und dem Kunstmagazin BLAU sowie Kuratorin des Projektraumes Capri in Düsseldorf. An der Universität der Künste in Berlin ist sie Lehrbeauftragte im Fachbereich Bildende Kunst für das Seminar „Netzwerk Kunstmarkt“.
Roland Schappert: Wird heute weniger oder anders reflektiert über Kunst der Gegenwart als vor fünfzehn Jahren? Falls ja, inwieweit hat sich in diesem Zeitraum das Denken und Urteilen über zeitgenössische Kunst verändert?
Gesine Borcherdt: Kunst wird heute vor allem konsumiert. Das Tempo, in dem immer neue Namen den Markt befeuern, lässt so etwas wie Reflexion oder die Überlegung, ob tatsächlich etwas mehr hinter der Oberfläche steckt, nur noch selten zu. Das betrifft eigentlich fast alle Bereiche der Kunst – Museen, Markt, aber auch die Kritik. Es gibt eine Tendenz, alles durchzuwinken.
Woran erkennst du gute Kunst? Gibt es für dich so etwas wie benennbare Kriterien oder Qualitätsmerkmale?
Eine Rezeptur gibt es natürlich nicht. Gute Kunst hat eher etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Die erkennt man meist, wenn Form, Inhalt und die Person dahinter stimmig sind, ein Thema als unabdingbar vermitteln. Selbst wenn mir die Arbeit eines Künstlers nicht besonders liegt, respektiere ich ihn, solange er sich nicht an irgendwelche Trends ranschmeißt oder fadenscheinige Konzepte durchdekliniert. Hauptsache, er kann und will nichts anderes als Kunst zu machen.
Reden wir zu viel über Marktpreise und zu wenig über Inhalte der Kunst? Oder ist der Marktwert Teil des Inhalts bzw. der Story über Kunst?
Der Markt spielt immer eine Rolle und ist ja auch total interessant. Viele…