Mona Körte
Gesichts(aus)schnitte – Teile vom Ganzen
Wie sich mit Blick auf den Menschen der Teil zu seinem Ganzen und das Ganze zu seinem Teil verhält ist eine Frage, die im 20. Jahrhundert in zahlreiche Kontexte, in die Kriminalistik und die Chirurgie, die Künste und die Wissenschaften hineinreicht. Dabei bildet die Vorstellung des Gesichts als pars pro toto der menschlichen Erscheinung eine kulturanthropologische Konstante, die auf besondere Weise die Auseinandersetzung mit der Relation von Gesichtsteil und Gesichtsganzem tangiert.
In der kriminalistischen Methode der Gesichtserkennung erfahren ‚Einzelkennzeichen’ wie Auge, Nase, Mund eine besondere Aufmerksamkeit, um aus ihrem Verhältnis zueinander ein Modell des Gesichts zu entwickeln, in der Chirurgie werden durch die im Ersten Weltkrieg auftretenden neuartigen Kopf- und Gesichtsverletzungen adäquatere Verfahren der Supplementierung und Rearrangierung versehrter Gesichtsteile entwickelt, und Künste und Wissenschaften reflektieren Vereinzelung, Zergliederung und Fragmentarisierung als charakteristische Zeiterfahrungen des frühen 20. Jahrhunderts. Hierbei verläuft die Reflexion auf das Verhältnis des Teils zum Ganzen und des Ganzen zu seinem Teil nicht einsinnig: Die Fragmentarisierung geht nicht in der Deutung der Apotheose des Individuums auf, im Gegenteil kann das Teil sogar gerade als Vereinzeltes Ganzheitsvorstellungen durchaus würdig vertreten.
Traditionen: Parzellierung, Mehransichtigkeit und Bildstückung
PABLO PICASSO, UMBERTO BOCCIONI, HANNAH HÖCH
Die Avantgardekunst perspektiviert das Gesicht und seine Teile auf radikale und vielfältige Weise: Als ein auf seine geometrischen Grundformen reduzierter, zerstückter Gegenstand tritt es zunächst im Kubismus in Erscheinung. Neben Salvador Dalí ist es vor allem Pablo Picasso, der die Formgebung des Körpers revolutionierte, in dem er das Gesicht reliefartig facettierte. In seinen fragmentierten und ineinander geschobenen…