Markus Brüderlin
Gerwald Rockenschaub
geb. 1952 in Linz – lebt in Wien
Augensex
oder eine ästhetische Position im Zeitalter der Semiokratie
Augensex, dieser Schriftzug prangt nicht über einem neuen Peep-Show-Schuppen, sondern schwebte in cool designten weißen Computerlettern frontal in einer schwarz zugedruckten Plakatfläche, die im Frühjahr ’84 überall in Wien affichiert war. Gerwald Rockenschaub entwarf dieses Plakat für ein Werbekonzept der Wiener Festwochen. Was die hermetische Schwärze des Papiers aber an dem Versprochenem selbst verweigerte, dies wird dem hastigen Passantenblick ja ohnehin schon ständig aufgenötigt: Der tägliche Augensex der frivolen Produkt- und Wareninszenierung auf den öffentlichen Plakatwänden und auf den privaten Leuchtschirmen zu Hause. Mit dem vermeintlich ironischen Kommentar zu unserer, auf die reine Augenblicksbefriedigung reduzierten Alltagsästhetik, hinterließ GR in dem weißen Schriftzug aber auch das Motto seines eigenen Kunstwollens: Seit ca. 1982 erfreut und verführt, überflutet oder ernüchtert, überrascht und neckt der junge Linzer Maler das kunstverständige Publikumsauge mit popig-bunten, mit witzig-simplen, mit magisch-auratischen, mit flauschig-sanften, mit rätselhaften oder auch nur mit schlicht obszönen Bildern, deren Ausdehnung das handliche Format von 50 x 50 cm selten überschreiten, aber umgekehrt bis zur fingergroßen Miniaturikone zusammenschrumpfen. Die oben zunächst noch vermutete kritisch-ironische Distanz entpuppt sich mehr als ‘distanzierte Mittäterschaft’ eines jugendlichen Partisanen, der in der postmodernen Flut der Reize und im “Krieg der Zeichen” tüchtig mitmischt. 1983 präsentierte GR in einer Wiener Galerie eine ganze Bildstafette von bunten verschiedenartig geometrisch parzellierten und komponierten Bildtafeln, die verstreute Assoziationen an Bekanntes aus der Alltagsästhetik, aber auch aus dem Depot der Kunstgeschichte (Pop, Mondrian) aufblitzen ließen. Demgegenüber duftete…