Sigrid Feeser
Gerhard von Graevenitz Retrospektive
Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen, 15.12.1985-26.1.1986
Kunsthalle Bremen, 9.2-6.4.1986
Josef-Albers-Museum Bottrop
Die chronologisch aufgebaute, mit Ausnahme der Spielobjekte alle Arbeitsphasen des im Sommer 1983 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Künstlers umfassende, Werkübersicht konnte jedem Unvoreingenommenen schnell klarmachen, daß man es hier mit einem ganz und gar eigenständigen, und in seinen fast logisch aufeinanderfolgenden Schritten unverwechselbaren Beitrag zur Kunstgeschichte der sechziger und siebziger Jahre zu tun hatte. Beispiele aus dem Frühwerk, Reste dessen, was ein von Graevenitz selbst veranstaltetes Autodafé 1974 davon übrig ließ, belegten zunächst eine zumindest temporäre Beziehung zu den informellen Zeitströmungen. Neben monochromen Sandbildern erwiesen sich dabei vor allem zwei farbige Drahtskulpturen, Pendants aus dem Jahre 1957, als überraschend zeitgemäß anmutende, hochattraktive Erfindungen.
Fast nahtlos dann der Übergang zu den »weißen Strukturen«, mit denen der junge Graevenitz fast wie im Sprung das Eigene erreicht, in »Bildern«, die schon mehr Objekte sind als Bilder, mit feinen, statistisch geplanten Anordnungen von halbkugelartigen, mal konkaven, mal konvexen Elementen, die eine tendenziell unendliche Vielzahl visueller Situationen – und damit Rezeptionsmöglichkeiten – erlauben und Licht und Schatten als frei bewegliche Mitspieler zulassen.
So spielerisch diese Arbeiten auch anmuten mögen, dahinter steckt durchaus auch handfeste Ideologie: »Machen heißt, ein Material in bestimmter Weise organisieren, oder in eine bestimmte Ordnung setzen.« Alles, so Graevenitz, ist begründbar, und alles ist frei: »Eine Anordnung, die als zufällige erkennbar ist, ist willkürlich. Und darunter fällt strenggenommen die komponierte Kunst.«
Graevenitz’ Empfindlichkeit in Hinsicht auf für »romantisch« erachtete Emotionen war sprichwörtlich. Es wird berichtet, wie er, der metaphysische Deutungen seiner…