Edgar Schmitz
Gerhard Richter: Panorama
»Eben doch eine richtige Malerretorspektive«
Tate Modern, London, 6.10.2011 – 8.1.2012; Neue Nationalgalerie, Berlin, 12.2.2012 – 13.5.2012; Centre Pompidou, Paris, 6.6.2012 – 24.9.2012
Bei Don DeLillo ist Gerhard Richters Bilderzyklus zur RAF und der Ermordung von Ensslin, Baader und Raspe im Hochsicherheitstrakt von Stammheim (‚18. Oktober 1977’, 1988) auch schon 2002 und im New Yorker MoMA nur noch so etwas wie ein Hintergrund und Auslöser für eine Kurzgeschichte. Unter dem Titel ‚Baader Meinhof’ geht es um zwei Protagonisten und die Malereien im Museum – sie versucht die Bilder zu durchdringen, sich in Beziehung zu ihnen zu verstehen, liebt sie schließlich (nicht die Charaktere, sondern die Malereien); er verwickelt sie in ein Gespräch und ein Lunch und die Freigabe dessen, was sie als Intimsphäre erhalten möchte, und bleibt an den Bildern als Emblemen seiner Isolierung hängen. Was für sie Versprechen und Appell ist, bleibt für ihn lediglich Spiegel seiner eigenen Handlungsunfähigkeit.
Die monochromen und mehr oder weniger vermalten Fotomalereien sind zeitanfällig, wie es Bilder sonst eher nur selten sind. Nicht, weil ihre Relevanz auf der Verfügbarkeit anekdotischer Indizien beruhte, sondern vielmehr weil sie in der Spannung zwischen humanistischem Appell und spezifisch aufgeladener Formensprache und in der Verquickung zwischen schemenhaften Stammheim-Toten, Plattenspieler, Zelle mit Bücherregal und Jugendfotos der vielversprechenden Journalistin so etwas wie eine skandalöse Unangemessenheit aufweisen. Und weil so eine Art Unangemessenheit für die Verschiebung verfügbarer Referenzrahmen eben anfälliger ist als andere Arbeiten.
Die Arbeiten figurieren hier in der Tate und jetzt fast unweigerlich als musealisierte Dokumente einer Epoche, und…