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Ausstellungen: München · S. 278 - 279
Ausstellungen: München , 1986

Ingrid Rein
Gerhard Merz – Wo ist Erinnerung

Kunstverein München, 19.9.-26.10.1986
Galerie Tanit, München, 19.9.-31.10. 1986

“DOVE STA MEMORIA”, Ezra Pounds Frage nach der Erinnerung aus den Pisaner Gesängen, ist nicht nur ein häufiger Titel von Gerhard Merz Inszenierungen. Auch unausgesprochen gewinnt sie in seinen Arbeiten mehr und mehr an Gewicht. Raum und bildnerisches Konzept werden nur so nachdrücklich zu einer Totale ausbalanciert, daß das Erinnerte auf der Ebene des Stils und der Ikonographie als hochgereiztes kulturelles Bewußtsein ins Spiel kommt und zugleich als sentimentalische Unterströmung. Doch weder in “Tivoli”, jener minimalistischen Treppenhausgestaltung im Bürogebäude an der Barerstraße 9, noch in den drei Räumen der Galerie Tanit – “Brennero”, “Duomo”, “Dovo sta memoria” – berührte Merz wie im Kunstverein neuralgische Punkte unserer Vergangenheit.

Hier, nur wenige Schritte entfernt vom einstigen Lokal der Entarteten-Kunst-Ausstellung und in derselben Institution erprobte er ansatzweise die Entnazifizierung einer belasteten Ästhetik. Nicht als Moralist oder dezidierter Aufklärer, wodurch sich die Reizschwelle noch erhöht. Merz, geschult an den Positionen der jüngsten Kunstgeschichte, verhält sich neutral. In einer Aura der Anmutung bringt er Ausdrucksformen einer klassischklassizistischen Tradition, die im dead end des Faschismus gelandet waren, in einen neuen ästhetischen Zusammenhang. Gerade weil er bei diesem Rehabilitationsversuch jede ideologische Tendenz, jede Festschreibung überhaupt, vermeidet, konzentriert sich das Interesse auf den von ihm intendierten Wahrnehmungs- und Reflexionsprozeß, in dem allein eine Enttabuisierung sich vollziehen kann.

Dieses Anliegen ist gewiß nicht neu. Was Merz von “Vorläufern” wie Hans-Jürgen Syberberg oder Anselm Kiefer unterscheidet, sind der Ansatzpunkt und eine radikale Ästhetik der reduzierten Form. Ebenso dürfte…


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