Marius Babias
Gerd Rohling
Kunstforum Nationalgalerie 7.10.-2.12.1989
Kutscherhaus 9.10.-27.10.1989
Gerd Rohling ist ein Visionär der Hinterhöfe, deren Schatten- und vor allem Sonnenseiten er uns in virtuoser Handhabung so schmuddelverdächtiger Materialien wie Plastik (Kanister, Wannen) vorführt, indem er ihnen, ohne die ursprünglichen Spuren zu tilgen, epische Energien entlockt und in künstlerisch zeitlose Visionen verwandelt. Wenn auch im Zeitalter der elektronischen Vernetzbarkeit jedweder Informationen die (expressionistische) Vorstellung von der Großstadt als Dschungel oder Moloch an Aktualität eingebüßt hat, in Rohlings Arbeiten lebt sie dennoch fort und beansprucht suggestive Wahrhaftigkeit.
Rohlings Bildwelt ist klassisch, seine Haus- und Tiermetaphern in dem Sinne tradiert, daß sie einem kulturgeschichtlich entwickelten Bildreservoir neue und aktualisierte alte Bilder zuführen. Jene Mystik ist spürbar, die jedem banalen Gegenstand Würde, über die Funktion weit hinaus Sinn zurückgibt. Gerd Rohling, nach dreijähriger Abstinenz in Berlin, ist gleich mit zwei Ausstellungen, die im Kunstforum und im Kutscherhaus am selben Abend eröffnet wurden, wieder da.
Aus diesem zweifachen wäre beinahe ein dreifacher Salto geworden, denn der Künstler beabsichtigte eine weitere, zeitgleiche Schau seiner manipulierten Kunstzeitschriften (von “KUNSTFORUM” über “Flashart” bis “Art” eingeklebte Abbildungen seiner Werke auf dem Titelblatt); sanfte Selbstironie auf den Wunsch jedes Künstlers, berühmt zu sein. Die Ausstellungsplanung der Galerie Vincenz Sala, wo die limitierte Edition hätte gezeigt werden sollen, sprach leider dagegen.
Rohling ist Maler und Bildhauer, nicht zugleich, sondern zeitgleich. Eine Arbeit von 1984, die er in Poestenkill, USA, erstellt hat, verdeutlicht dies. Ein Diptychon, darauf fünf hinaufsteigende Schlangen gemalt, wird mit der Skulptur einer Schlange kontrastiert, deren Hinaufschlängeln jene Bewegung auf dem flachen Bild…