Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit
Bekanntlich ist Applaus das Brot des Künstlers. Ebenso bekanntlich ist jeder Mensch ein Künstler. Um also den Syllogismus zu vervollständigen: Das Klatschen ist des Zeitgenossen tägliche Nahrung. Auf der Bühne des Lebens wird ein Stück gegeben, dessen Peripetie Akzeptanz, Beachtung, Anerkennung sind. Aufmerksamkeit ist der Sauerteig, mit dem sich der einzelne seine Identität backt.
Aufmerksamkeit, so kleidet es ihr Theoretiker Georg Franck, in eine eigene Metapher, ist die “unwiderstehlichste aller Drogen”. Und diese Aufmerksamkeit trägt Züge einer Weltformel. Es sei eine veritable Ökonomie, so Franck, Professor für computerunterstützte Methoden in Architektur und Städtebau an der Technischen Universität Wien, die sich aus dieser Aufmerksamkeit zimmern ließe, eine Abhandlung über das Prinzip Tausch und ebenso eine Philosophie für eine der Unhintergehbarkeiten des Daseins. Aufmerksamkeit ist etwas Zwischenmenschliches und etwas Massenmediales, ist Motor der beiden Boombereiche der Gegenwart, von Kultur- und Wissenschaftsbetrieb. Sie funktioniert wie Geld: Die Freigiebigkeit, mit der Leute irgendwelche halbausgegorenen Rässonnements ins Internet schütten, ist für Franck Beweis genug für das Selbstläufertum des Prinzips Beachtung. Das Verdienst steht im Mittelpunkt, nicht der Verdienst.
Geld stinkt nicht, und auch die Aufmerksamkeit bietet in Francks Fasson wenig Anlaß, an ihr herumzustänkern. Die diversen liebevollen Nachbarschaftshilfen wie üble Nachrede, falsche Anteilnahme oder Gaffen, zweifellos allesamt Träger einer speziellen Form von Aufmerksamkeit, stellen in Francks Typologie der Zuteilungsformen von Beachtung keine Größe dar. Sündenböcke haben ebenso nichts verloren auf ihrem Terrain. Und wenn sich irgendwelche Elfjährige bei den Backstreet Boys in die kollektive Ohnmacht ventilieren, dann mag das zwar einiges aussagen über…